I. Überblick

 

Rz. 6

Die VV 3206 ff. gelten unmittelbar in allen Revisionsverfahren, in denen sich die Gebühren des Anwalts nach dem Gegenstandswert richten.

 

Rz. 7

Sie sind entsprechend anzuwenden in bestimmten Beschwerdeverfahren und den Rechtsbeschwerdeverfahren nach VV Vorb. 3.2.2.

 

Rz. 8

Darüber hinaus gelten sie entsprechend in Verfahren nach

§ 37: Verfahren vor den Verfassungsgerichten,
§ 38: Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften,
§ 38a: Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
 

Rz. 9

Die VV 3206 ff. sind dagegen nicht anzuwenden, wenn ein oberstes Gericht erstinstanzlich entscheidet, wie z.B. in den Fällen der VV 3300.

 

Rz. 10

Ebenfalls finden die VV 3206 keine Anwendung in den Rechtsbeschwerdeverfahren, soweit diese nicht nach VV Vorb. 3.2.2 einem Revisionsverfahren gleich gestellt sind

II. Volle Verfahrensgebühr

 

Rz. 11

Im Revisionsverfahren erhält der Anwalt nach VV 3206 zunächst eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,6. Zum Anwendungs- und Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr siehe die Kommentierung zu VV Vorb. 3 Abs. 2.

 

Rz. 12

Soweit sich die Parteien nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können, erhöht sich die Gebühr aus VV 3206 gemäß VV 3208 auf 2,3. Ausweislich des Wortlauts ist es erforderlich, dass sich die Parteien "nur" durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt "vertreten lassen können". Erfasst werden daher nur solche Verfahren, in denen vor dem BGH Vertretungszwang besteht. Soweit ausnahmsweise vor dem BGH kein Vertretungszwang besteht, z.B. in den Fällen des § 78 Abs. 2 ZPO, erhält daher auch der am BGH zugelassene Anwalt lediglich die 1,6-Gebühr nach VV 3206. VV 3208 fällt überdies auch nicht für den am BGH postulationsfähigen Rechtsanwalt im Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH nach Art. 267 AEUV an, da hier die Zulassung nicht notwendig ist.[1]

 

Rz. 13

Die Verfahrensgebühr nach VV 3208, 3209 kommt nur für den beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt in Betracht. Der beim BGH nicht postulationsfähige Prozessbevollmächtigte erhält daher keine allgemeine Verfahrensgebühr gemäß VV 3208, selbst wenn ihm Schriftsätze, gerichtliche Verfügungen und gerichtliche Entscheidungen in der Revisionsinstanz mitgeteilt bzw. zugestellt wurden.[2] Teilweise wird zwar vertreten, dass auch für den nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt VV 3208 Anwendung finde, da die Regelung nur davon spreche, dass sich die Parteien nur durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt "vertreten lassen können", nicht aber auch davon, dass sie sich durch einen solchen tatsächlich vertreten lassen müssen und dieser auch ohne Postulationszwang sinnvolle Tätigkeiten entfalten könne, die vergütungspflichtig seien.[3]

 

Rz. 14

Aber auch wenn der OLG-Anwalt im Revisionsverfahren durchaus für seinen Mandanten sinnvoll agieren und vortragen kann, indem er beispielsweise Rechtsausführungen macht, die der BGH zur Kenntnis nehmen muss und die dann zur Verwerfung wegen Unzulässigkeit führen, hat dies nicht das Entstehen der 2,3-Verfahrensgebühr nach VV 3208 zur Folge. Nach ganz h.M.[4] für den vergleichbaren Fall der Nichtzulassungsbeschwerde (siehe VV 3506 Rdn 21, 46 ff.) kann nur eine Gebühr nach VV 3403 für eine Einzeltätigkeit abgerechnet werden. Dabei wird offen gelassen, ob ein Anwaltsvertrag, dessen auftragsgemäße Erfüllung eine beim beauftragten Anwalt nicht vorhandene Postulationsfähigkeit beim Rechtsmittelgericht voraussetzt, nach § 134 Abs. 1 BGB nichtig ist oder ob dem Anwalt nur die Erfüllung der vertragsgemäßen Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich ist, da auch im letztgenannten Fall der Auftraggeber die einen solchen Auftrag voraussetzende Verfahrensgebühr nach § 275 Abs. 4 i.V.m. § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB nicht als Gegenleistung schulde.[5]

 

Rz. 15

Die Verfahrensgebühr entgilt nach § 15 Abs. 1 die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Das Revisionsverfahren oder die Rechtsbeschwerde vor dem BGH, für die eine Verfahrensgebühr nach VV 3208 anfällt, ist im Zweifel aber erst mit einer Entscheidung durch das Gericht erledigt. Der nicht postulationsfähige Rechtsanwalt kann jedoch den Mandanten bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht im Verfahren vertreten. Es dürfte daher äußerst praxisfern sein, dass der ordnungsgemäß aufgeklärte Mandant einen solchen vollumfassenden Verfahrensauftrag erteilt, den der Rechtsanwalt gar nicht erfüllen kann. Im Übrigen geht auch der Gesetzgeber selbst offensichtlich davon aus, dass nur der zugelassene Rechtsanwalt die VV 3208 erhalten kann. In der Begründung zur Einführung der VV 3208 heißt es, dass die Vorschrift an die Stelle von § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO trete. Im Revisionsverfahren vor dem BGH soll der dort zugelassene Rechtsanwalt auch nach der vorgeschlagenen neuen Gebührenstruktur eine erhöhte Verfahrensgebühr erhalten.[6]

 

Rz. 16

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, so erhöhen sich die 1,6- und die 2,3-Verfahrensgebühr um jeweils 0,3 je weiteren Auftraggeber, höchstens um 2,0.

 

Rz. 17

Hatte...

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