I. Allgemeines
Rz. 1
Verwertungsgesellschaften haben die Aufgabe, die Nutzungsrechte, Einwilligungsrechte oder Vergütungsansprüche, die sich nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) ergeben, für Rechnung mehrerer Urheber oder Inhaber verwandter Schutzrechte zur gemeinsamen Auswertung wahrzunehmen. Mit Wirkung zum 1.6.2016 ist das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) an die Stelle des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (UrhWG) getreten. Das Gesetz regelt die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften, abhängige und unabhängige Verwertungseinrichtungen (§ 1 VGG) und sieht die Anrufung einer Schiedsstelle sowie eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche vor.
Rz. 2
Wird der Anwalt außergerichtlich tätig, richtet sich seine Vergütung nach VV 2300. Nr. 1 ist hier nicht einschlägig.
Rz. 3
Wird der Anwalt vor der Schiedsstelle (§ 124 Abs. 1 S. 1 VGG) beim Deutschen Patent- und Markenamt als Aufsichtsbehörde (§ 75 Abs. 1 VGG) tätig, richtet sich die Vergütung nach VV 2303 Nr. 1. Auch dies wird von Nr. 1 nicht erfasst.
Rz. 4
Durch Nr. 1 geregelt wird nur das Verfahren vor dem OLG nach § 129 VGG. Danach entscheidet in Streitfällen gem. § 92 Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 2, §§ 94, 108 VGG das für den Sitz der Schiedsstelle zuständige OLG im ersten Rechtszug (§ 129 Abs. 1 ZPO). Es handelt sich um eine ausschließliche Zuständigkeit. Handelt es sich um einen Rechtsstreit wegen Ansprüchen einer Verwertungsgesellschaft wegen Verletzung eines von ihr wahrgenommenen Nutzungsrechts oder Einwilligungsrechts, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Verletzungshandlung begangen worden ist oder der Verletzter seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 131 Abs. 1 S. 1 VGG). § 105 UrhG bleibt unberührt (§ 131 Abs. 1 S. 2 VGG).
Rz. 5
Für das Verfahren gilt der Erste Abschnitt des Zweiten Buchs der ZPO entsprechend (§ 129 Abs. 2 S. 1 VGG), sodass durch Urteil zu entscheiden ist.
Rz. 6
Die Kostenentscheidung ist nach §§ 91 ff. ZPO zu treffen. Eine Kostenfestsetzung findet nach §§ 103 ff. ZPO statt.
Rz. 7
Gegen die von dem OLG erlassenen Endurteile findet die Revision nach §§ 542 ff. ZPO statt (§ 129 Abs. 3 VGG). Hier richtet sich die Vergütung nach den VV 3206 ff.
II. Regelungsgehalt
1. Allgemeines
Rz. 8
Nr. 1 entspricht dem früheren § 65b BRAGO. Die Höhe des Gebührensatzes entspricht dem eines Berufungsverfahrens. Der Grund dafür liegt in der besonderen Schwierigkeit der Materie.
2. Verfahrensgebühr (VV 3300)
Rz. 9
Für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (VV Vorb. 3 Abs. 2) erhält der Anwalt eine Verfahrensgebühr zu einem Gebührensatz von 1,6 (wegen der Einzelheiten zum Begriff der Verfahrensgebühr vgl. VV Vorb. 3 Rdn 12 ff.).
Rz. 10
Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen derselben Angelegenheit, erhöht sich die Gebühr nach VV 1008 um 0,3 je weiteren Auftraggeber.
3. Verfahrensgebühr – vorzeitige Beendigung (VV 3301)
Rz. 11
Bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags reduziert sich der Gebührensatz der Verfahrensgebühr von 1,6 auf 1,0. Eine vorzeitige Beendigung liegt nach dem Verweis in Anm. zu VV 3301 i.V.m. Anm. Abs. 1 zu VV 3201 vor,
1. |
wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Rechtsmittels enthält, eingereicht oder bevor er für seine Partei einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat, oder |
2. |
soweit lediglich beantragt ist, eine Einigung der Parteien oder mit Dritten über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen oder festzustellen (§ 278 Abs. 6 ZPO), oder soweit lediglich Verhandlungen zur Einigung über solche Ansprüche geführt werden (wegen der Einzelheiten vgl. VV 3201 Rdn 1, VV 3101 Rdn 1 ff.). |
4. Anrechnung einer Geschäftsgebühr
Rz. 12
Aufgrund der Anrechnungsvorschrift der VV Vorb. 3 Abs. 4 ist die im Verfahren vor der Schiedsstelle entstandene Geschäftsgebühr der VV 2303 Nr. 1 auf die im Verfahren vor dem OLG entstehende Verfahrensgebühr anzurechnen. Die Geschäftsgebühr ist danach hälftig, d.h. mit einem 0,75-Gebührensatz anzurechnen. Die Anrechnung erfolgt nach dem Gegenstand, der in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist.
Rz. 13
In dem Klageverfahren vor dem OLG ist nur eine (hälftige) Anrechnung der Geschäftsgebühr der VV 2303 Nr. 1 vorzunehmen. Nicht anzurechnen ist hingegen eine eventuell entstandene Geschäftsgebühr nach VV 2300, da diese gem. VV Vorb. 2.3 Abs. 6 nur auf die für die Tätigkeit vor der Schiedsstelle anfallende Geschäftsgebühr anzurechnen ist.
Beispiel 1: A beauftragt den Anwalt zunächst mit der Vertretung vor der Schiedsstelle nach § 124 VGG. Es wird ein Anspruch über 50.000 EUR geltend gemacht. Die Schiedsstelle unterbreitet einen Einigungsvorschlag und beraumt einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. Der Einigungsvorschlag wird jedoch von den Parteien nicht angenommen. A erhebt daraufhin Klage vor dem OLG wegen des Anspruchs über 50.000 EUR. Für die Vertretung beauftragt A denselben Anwalt. In dem Verfahren findet eine mündliche Ve...