1. Überblick
Rz. 39
In den in VV 3300 Nr. 3 eingeführten Verfahren werden die Anwaltsgebühren nach dem Wert der anwaltlichen Tätigkeit erhoben (§ 2 Abs. 1). Dies gilt auch in sozialgerichtlichen Verfahren, selbst dann, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört und an sich gem. § 3 Abs. 1 S. 2 nach Rahmengebühren abzurechnen wäre. Das ist durch den ebenfalls eingefügten § 3 Abs. 1 S. 3 klargestellt worden.
2. Vorgerichtliche Tätigkeit
Rz. 40
Entschädigungsansprüche nach § 198 Abs. 2 GVG können zunächst außergerichtlich geltend gemacht werden. Die dahingehende Tätigkeit des Anwalts wird dann mit einer Geschäftsgebühr nach VV 2300 abgerechnet (VV Vorb. 2.3 Abs. 2). Die Gebühr erhöht sich bei mehreren Auftraggebern nach VV 1008, wenn diese gemeinsam einen Ersatzanspruch geltend machen.
Rz. 41
Hinzukommen kann eine Einigungsgebühr nach VV 1000 in Höhe von 1,5. Eine Erledigungsgebühr nach VV 1002 ist nicht möglich, da es sich nicht um ein Verwaltungsverfahren handelt.
3. Gerichtliche Tätigkeiten
a) Überblick
Rz. 42
Kommt es zu einem gerichtlichen Verfahren nach § 201 GVG, richtet sich die Vergütung nach VV Teil 3.
b) Erstinstanzliche Verfahren
aa) Verfahrensgebühr
Rz. 43
Obwohl es sich um erstinstanzliche Verfahren handelt, richtet sich die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts (VV Vorb. 3 Abs. 2) nicht nach VV Teil 3 Abschnitt 1 (also nach den VV 3100, 3101 – 1,3/0,8 Gebühr). Die Höhe der Verfahrensgebühr richtet sich vielmehr – mit Ausnahme der Verfahren vor dem FG – nach VV 3300 (1,6/1,1), die zu diesem Zweck eingeführt worden ist. Der Gesetzgeber wollte damit der Besonderheit Rechnung tragen, dass diese Verfahren erstinstanzlich bereits vor den Gerichten höherer Instanz geführt werden, sodass nur eine Tatsacheninstanz eröffnet ist und damit i.d.R. ein höherer Arbeitsaufwand und eine höhere Verantwortung verbunden sind.
Rz. 44
Lediglich für die Verfahren vor den Finanzgerichten bedurfte es keiner gesonderten Regelung, da diese erstinstanzlich ohnehin schon mit einem Gebührensatz von 1,6 abgerechnet werden (VV Vorb. 3.2.1 Nr. 1 i.V.m. VV 3200).
Rz. 45
Auch für die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten wäre an sich eine gesonderte Regelung entbehrlich gewesen, da es hier bereits erstinstanzliche Verfahren vor den OVG/VGH und dem BVerwG gibt und diese Verfahren bereits nach VV 3300 Nr. 2 erfasst sind. Dennoch werden auch diese Verfahren in VV 3300 Nr. 3 erwähnt. Die doppelte Erwähnung ist derzeit wohl unschädlich, allerdings verwirrend, weil sie suggeriert, es bestünden Unterschiede zwischen VV 3300 Nr. 2 und Nr. 3.
Rz. 46
Der Anwalt verdient danach erstinstanzlich eine 1,6-Verfahrensgebühr, die sich nach VV 3301 im Falle der vorzeitigen Beendigung unter den Voraussetzungen der Anm. Abs. 1 zu VV 3201 auf 1,0 ermäßigt.
Rz. 47
Soweit der Anwalt mehrere Auftraggeber vertritt, die denselben Entschädigungsanspruch geltend machen, erhöht sich die Verfahrensgebühr um 0,3 je weiteren Auftraggeber (VV 1008).
Rz. 48
War der Anwalt zunächst außergerichtlich tätig und hatte er dort eine Geschäftsgebühr verdient (siehe Rdn 40), so ist diese Geschäftsgebühr nach VV Vorb. 3 Abs. 4 hälftig, höchstens zu 0,75 auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
bb) Terminsgebühr
Rz. 49
Die Terminsgebühr ist auch hier nicht gesondert geregelt. Sie bestimmt sich vielmehr – mit Ausnahme der Verfahren vor dem FG – gem. VV Vorb. 3.3.1 nach VV Teil 3 Abschnitt 1. Ihre Höhe beläuft sich gem. VV 3104 auf 1,2 und in den Fällen der VV 3105 auf 0,5.
Rz. 50
Soweit hier eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergeht oder ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, kann die Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu VV 3104 auch ohne mündliche Verhandlung entstehen, da es sich durchweg um Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung handelt.
Rz. 51
Selbstverständlich kann die Terminsgebühr auch durch Besprechungen i.S.d. VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 ausgelöst werden.
Rz. 52
Für die Verfahren vor den Finanzgerichten gilt dagegen VV 3202, die allerdings ebenfalls eine 1,2-Gebühr vorsieht, sodass hier im Ergebnis keine Unterschiede bestehen.
cc) Einigung
Rz. 53
Im Falle einer Einigung entsteht lediglich eine 1,0-Gebühr nach VV 1000, 1003, da es sich um erstinstanzliche Verfahren handelt. Auf eine Anhebung des Gebührensatzes für die Einigungsgebühr in VV 1004 hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet.
dd) Abrechnungsbeispiele
Rz. 54
Beispiel 1: Der Kläger beantragt vor dem OLG eine Entschädigung in Höhe von 3.600 EUR. Darüber wird mündlich verhandelt. Anschließend wird durch Urteil entschieden.
Der Anwalt erhält:
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, VV 3300 Nr. 3 |
|
444,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
333.60 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
798,40 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
151,70 EUR |
Gesamt |
|
950,10 EUR |
Beispiel 2: Wie vorangegangenes Beispiel 1; jedoch hatte der Anwalt für den Kläger vorgerichtlich die Ersatzansprüche bei der Landesregierung angemeldet.
Der Anwalt erhält ausgehend von einer Mittelgebühr:
I. Vorgerichtliche Tätigkeit
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
|
417,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
437,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 70... |