Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Grundsätze
Rz. 599
Unterschiedlich gesehen wird, in welchen Fällen die Beiordnung eines Anwalts im Rahmen der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wenn der Gegner nicht anwaltlich vertreten ist. Ist der Gegner anwaltlich vertreten, gebietet der Grundsatz der Waffengleichheit die Beiordnung (vgl. § 121 Abs. 2, 2. Alt. ZPO).
Rz. 600
Richtig ist jedenfalls, dass weder eine pauschale Beiordnung noch eine pauschale Ablehnung der Beiordnung zutreffend ist. Die Notwendigkeit der Beiordnung eines Anwalts hängt vielmehr einerseits von der Schwierigkeit der im konkreten Fall zu bewältigenden Rechtsmaterie und andererseits von den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen gerade des Antragstellers ab. Hierzu muss der Anwalt stets vortragen, will er eine Beiordnung erreichen.
2. Sachpfändung/Vermögensauskunft
Rz. 601
Hinsichtlich eines Auftrags zur Sachpfändung sowie zur Abnahme der Vermögensauskunft (§ 802c ZPO) wird eine Beiordnung weitgehend abgelehnt, weil es sich dabei um einfache Materien handele und der Gläubiger zur Not die Rechtsantragsstelle aufsuchen könne. Dabei wird die heutige Praxis der Gerichtsvollziehervollstreckung nicht richtig gesehen. Ein Durchsuchen der Räume des Schuldners ist mehr die Ausnahme; unleserliche oder unvollständige Gerichtsvollzieherprotokolle sind eher die Regel. Im Rahmen der Vermögensauskunft (Eidesstattlichen Versicherung) werden Vordrucke verwandt, die erkanntermaßen unvollständig sind; selbst bei offensichtlich unvollständigen oder unrichtigen Angaben des Schuldners werden kaum Nachfragen gestellt, wie die Vielzahl veröffentlichter Entscheidungen zeigt. Der Hinweis von Teilen der Rechtsprechung, sollten im weiteren Verlauf der Zwangsvollstreckung Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auftreten, könne erneut ein Antrag auf Beiordnung gestellt werden, setzt voraus, dass man die Probleme nicht ordnungsgemäßer Vollstreckung überhaupt erkennt. Bereits eingetretene Nachteile können zudem in der Regel nicht mehr ausgeglichen werden.
3. Weitere Einzelfälle
Rz. 602
Verneint wurde die Notwendigkeit der Anwaltsbeiordnung im Verfahren über die Vollstreckbarkeit eines bereits bestehenden Unterhaltstitels nach §§ 722, 733 ZPO wegen der Mitwirkung des Generalbundesanwalts, solange das Verfahren nicht streitig geführt wird. Ebenfalls wurde die Erforderlichkeit verneint für das Verfahren auf Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel gemäß § 727 ZPO in einem einfach gelagerten Fall. Für die Lohnpfändung darf dem Gläubiger die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht ohne Prüfung des Einzelfalls versagt werden.
4. Schwierigkeit der Materie
Rz. 603
Von den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen abgesehen spricht die Kompliziertheit der Materie jedenfalls in folgenden Bereichen für eine Beiordnung eines Anwalts:
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Pfändung wegen Unterhaltsansprüchen, insbesondere beim Vorhandensein mehrerer Unterhaltsberechtigter, im Hinblick auf die Berechnung des notwendigen Unterhalts des Schuldners gemäß § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO sowie der Höhe und des Rangs anderer Unterhaltsansprüche; der Unterhaltsgläubiger darf stattdessen nicht auf eine Beistandschaft des Jugendamtes nach § 1712 BGB verwiesen werden. |
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Verfahren der erweiterten Pfändung von Arbeitslohn oder Lohnersatzleistungen. |
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Mangelhafte Deutschkenntnisse des Gläubigers. |
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Wenn die beabsichtigte Kontenpfändung im konkreten Fall mit tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Das dürfte bei der seit Mitte 2010 in Kraft getretenen komplizierten Neuregelung durch Einführung eines Pfändungsschutzkontos wohl grundsätzlich der Fall sein. |
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Für die Einlegung der Vollstreckungserinnerung gegen eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme oder für die Stellung eines Einstellungs- bzw. Vollstreckungsschutzantrags. |