Lotte Thiel, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
I. Ausnahmeregelung
Rz. 1
VV 3325 regelt eine gebührenrechtliche Sonderstellung der aufgeführten Verfahren. VV 3325 bestimmt, dass der Rechtsanwalt in Verfahren nach § 148 Abs. 1 und 2 AktG, § 246a AktG (auch i.V.m. § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG), § 319 Abs. 6 AktG (auch i.V.m. § 327e Abs. 2 AktG) oder nach § 16 Abs. 3 UmwG eine Verfahrensgebühr i.H.v. 0,75 statt 1,3 nach VV 3100 erhält. Diese Sonderverfahren hat der Gesetzgeber nicht der Verfahrensgebühr VV 3100 unterworfen, sondern für diese eine gebührenrechtliche Sonderregelung getroffen. Es handelt sich um eine Ausnahmebestimmung, die deshalb eng auszulegen ist. Nur die ausdrücklich genannten Verfahren werden erfasst.
II. Klagezulassungsverfahren nach § 148 Abs. 1, 2 AktG
Rz. 2
§ 148 Abs. 1 AktG regelt das Klagezulassungsverfahren bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen i.S.v. § 147 AktG nach einer durchgeführten Sonderprüfung. Ergebnis einer Sonderprüfung nach §§ 142 ff. AktG kann sein, dass Ersatzansprüche der Gesellschaft aus der Gründung gegen die verantwortlichen Personen (Vorstand, Aufsichtsrat) geltend gemacht werden müssen, wenn es die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschließt. Minderheitsaktionäre können dabei nach § 148 Abs. 1 AktG die Zulassung beantragen, im eigenen Namen die in § 147 AktG bezeichneten Ersatzansprüche der Gesellschaft klageweise geltend zu machen. Gem. § 148 Abs. 2 AktG entscheidet über den Antrag auf Klagezulassung das LG, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, durch Beschluss.
III. Freigabeverfahren nach § 246a AktG und § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG
Rz. 3
§ 246a AktG regelt das auf Antrag der Gesellschaft durchzuführende Verfahren, wenn gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über eine Maßnahme der Kapitalbeschaffung, der Kapitalherabsetzung oder einen Unternehmensvertrag Klage erhoben worden ist. Hier kann das Gericht durch Beschluss feststellen, dass die Erhebung der Klage der Eintragung im Handelsregister nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung im Handelsregister unberührt lassen (Freigabeverfahren). Über den Antrag entscheidet ein Senat des OLG, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat.
Rz. 4
Gem. § 20 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (Schuldverschreibungsgesetz – SchVG) kann ein Beschluss der Gläubiger wegen Verletzung des Gesetzes oder der Anleihebedingungen durch Klage angefochten werden. Gem. § 20 Abs. 3 SchVG ist die Klage gegen den Schuldner binnen eines Monats nach der Bekanntmachung des Beschlusses bei einem Schuldner mit Sitz im Inland ausschließlich bei dem Landgericht zu erheben, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Sitz hat, oder mangels eines Sitzes im Inland das Landgericht Frankfurt am Main; § 246 Abs. 3 S. 2 bis 6 AktG gilt entsprechend. Vor einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts darf der angefochtene Beschluss nicht vollzogen werden, es sei denn, ein Senat des dem nach § 20 Abs. 3 S. 3 SchVG zuständigen Gericht im zuständigen Rechtszug übergeordneten Oberlandesgerichts stellt auf Antrag des Schuldners nach Maßgabe des § 246a AktG fest, dass die Erhebung der Klage dem Vollzug des angefochtenen Beschlusses nicht entgegensteht (§ 20 Abs. 3 S. 4 SchVG). In Verfahren nach § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG sollen die gleichen Gebühren zustehen wie in Verfahren nach § 246a AktG, da diese Vorschrift in den vorgenannten Verfahren nach dem SchVG weitestgehend entsprechend gilt. Das stellt VV 3325 seit dem 1.1.2021 (KostRÄG 2021) ausdrücklich klar.
IV. Beschlussverfahren nach § 319 Abs. 6 AktG bei der Eingliederung
Rz. 5
Nach § 319 Abs. 4 S. 1 AktG hat bei Eingliederung einer AG in eine andere AG mit Sitz im Inland (Hauptgesellschaft) der Vorstand der einzugliedernden Gesellschaft die Eingliederung und die Firma der Hauptgesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Bei der Anmeldung hat der Vorstand zu erklären, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses nicht oder nicht fristgemäß erhoben oder eine solche Klage rechtskräftig abgewiesen oder zurückgenommen worden ist (§ 319 Abs. 5 S. 1 Hs. 1 AktG).
Einer solchen Erklärung steht es gleich, wenn nach Erhebung einer Klage gegen die Wirksamkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses bzw. eines Verschmelzungsbeschlusses das für diese Klage zuständige Prozessgericht auf Antrag der Gesellschaft bzw. des Rechtsträgers, gegen dessen Beschluss sich die Klage richtet, durch rechtskräftigen Beschluss festgestellt hat, dass die Erhebung der Klage der Eintragung nicht entgegensteht (§ 319 Abs. 6 S. 1 AktG).
Über den Antrag entscheidet ein Senat des OLG, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat.
V. Beschlussverfahren nach § 327e Abs. 2 AktG bei der Übertragung von Aktien gegen Barabfindung
Rz. 6
Gem. § 327a Abs. 1 AktG kann die Hauptversammlung einer AG oder einer KGaA auf Verlangen eines Aktionärs, dem Aktien der Gesellschaft i.H.v. 95 % des Grundkapitals gehören (Hauptaktionär), die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen. Gem. § 327e Abs. 1 AktG hat der Vorstand den Übertragungsbeschluss zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Gem. § 327a Abs. 2 AktG gilt § 31...