aa) Grundsatz
Rz. 93
Die Notwendigkeit, einen Verkehrsanwalt einzuschalten, ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn die Partei selbst nicht in der Lage ist, den am auswärtigen Gericht tätigen Verfahrensbevollmächtigten selbst zu unterrichten.
Ist es der Partei dagegen ohne Weiteres möglich, den am auswärtigen Gericht tätigen Anwalt ebenso zu unterrichten und mit den notwendigen Unterlagen zu versehen, wie den am eigenen Ort tätigen Anwalt, kommt eine unmittelbare Erstattungsfähigkeit nicht in Betracht. Die Kosten eines Verkehrsanwalts können dann lediglich unter dem Gesichtspunkt ersparter anderweitiger Kosten wie z.B. erstattungsfähiger Reisekosten des Hauptbevollmächtigten, zu erstatten sein.
bb) Gesundheitliche Gründe
Rz. 94
Die Notwendigkeit, einen Verkehrsanwalt einzuschalten, kann sich unter Umständen daraus ergeben, dass es der Partei aus gesundheitlichen oder altersbedingten Gründen nicht zumutbar ist, eine Informationsreise zu dem Verfahrensbevollmächtigten zu unternehmen. Gleiches gilt für eine schwerbehinderte Partei. In solchen Fällen wird es auf die Entfernung ankommen sowie auf die konkrete Beeinträchtigung. Auch in diesen Fällen scheidet aber eine Erstattungsfähigkeit aus, wenn eine telefonische und schriftliche Unterrichtung ausreichend gewesen wäre.
cc) Soziale und wirtschaftliche Gründe
Rz. 95
Möglich ist auch, dass es der Partei aus sozialen oder wirtschaftlichen Bedingungen unmöglich ist, eine erforderliche Informationsreise zum auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten zu unternehmen. Nach von Eicken soll ein solcher Fall beispielsweise bei einer allein erziehenden Mutter gegeben sein, die mehrere Kleinkinder zu betreuen hat. Auch die persönliche Betreuung anderer pflegebedürftiger Angehöriger kann einen Grund darstellen, wenn eine Ersatzpflegekraft nicht zu erhalten ist. Ebenso kann eine Informationsreise unzumutbar sein, wenn sich die Partei für diese Reise Urlaub nehmen müsste. Das Gleiche gilt auch für Selbstständige, wenn sie unabkömmlich sind.
Rz. 96
In diesen Fällen ist jedoch stets zu fragen, ob nicht eine telefonische oder schriftliche Information ausgereicht hätte oder ob sich die Informationsreise auf einen günstigeren Zeitpunkt hätte verschieben lassen können.
dd) Geschäftsgewandte Partei
Rz. 97
Bei geschäftsgewandten Parteien, insbesondere bei größeren Unternehmen, zumal mit eigenen Rechtsabteilungen, wird in aller Regel die Erstattungsfähigkeit abgelehnt mit der Begründung, dass der auswärtige Anwalt unmittelbar hätte unterrichtet werden müssen und keine Notwendigkeit bestand, für die Unterrichtung zusätzlich einen Verkehrsanwalt einzuschalten. Insbesondere bei Banken geht die Rechtsprechung davon aus, dass diese aufgrund der Qualifikation ihrer Mitarbeiter ohne Weiteres in der Lage sind, den auswärtigen Anwalt selbst zu informieren.
ee) Rechtsmittelverfahren
Rz. 98
Im Berufungsverfahren sind vor Inkrafttreten des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes am 1.8.2002 Kosten eines Verkehrsanwalts nur ausnahmsweise erstattungsfähig. Es genügt hierzu nicht, dass die Partei in großer Entfernung vom Ort des Prozesses wohnt. Erstattungsfähig sind jedoch regelmäßig die fiktiven Kosten einer Informationsreise der Partei zu ihrem Prozessbevollmächtigten am Sitz des Gerichts. Diese eingeschränkte Erstattungsfähigkeit der Kosten des Verkehrsanwalts beruht auf der gesetzlichen Beschränkung seines Pflichtenkreises. Nach VV 3400, führt er lediglich den Verkehr der Partei mit dem Prozessbevollmächtigten. Die Prozessführung und die damit verbundene Beratung ist demgegenüber die vom Prozessbevollmächtigten in eigener Verantwortung wahrzunehmende Aufgabe.
In Berufungsverfahren wird die Hinzuziehung eines Verkehrsanwalts in der Regel ebenfalls nicht für erstattungsfähig gehalten, da hinzutritt, dass sich der Berufungsanwalt bereits anhand der Gerichtsakten ausreichend über den Sach- und Streitstand informieren könne und weitere Informationen grundsätzlich nicht erforderlich seien. Eine Erstattungsfähigkeit soll kommt danach nur dann in Betracht kommen, wenn sich im Berufungsrechtszug die tatsächliche Grundlage des Rechtsstreits gegenüber der ersten Instanz wesentlich geändert hat.
Rz. 99
Im Revisionsverfahren ist ein Verkehrsanwalt grundsätzlich nicht erstattungsfähig, da es sich um eine reine Rechtsinstanz und nicht um eine Tatsacheninstanz handelt. Zur Erstattungsfähigkeit bedarf es vielmehr besonderer Umstände.