I. Umfang der Angelegenheit
Rz. 4
Das Berufungsverfahren beginnt mit der ersten Tätigkeit des Verteidigers nach Auftragserteilung im Berufungsverfahren, wobei allerdings zu differenzieren ist:
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Für den Verteidiger, der bereits erstinstanzlich tätig war, zählt die Einlegung der Berufung noch zum erstinstanzlichen Rechtszug (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10). Für ihn beginnt die Tätigkeit im Berufungsverfahren daher erst mit der weiteren Tätigkeit nach Einlegung der Berufung (zur Streitfrage, ob die Beratung über eine bereits eingelegte Berufung gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 noch zur ersten Instanz gehört, siehe § 19 Rdn 117 ff.). |
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War der Verteidiger erstinstanzlich noch nicht tätig oder war er zwar tätig, aber nicht als Verteidiger, dann beginnt für ihn das Berufungsverfahren mit Erteilung des Auftrags, Berufung einzulegen. |
Rz. 5
Wird die Berufung von einem anderen Verfahrensbeteiligten, also von der Staatsanwaltschaft, dem Privat- oder Nebenkläger, eingelegt, so beginnt für den Verteidiger das Berufungsverfahren mit Erteilung des Auftrags. Unzutreffend ist die insoweit häufig anzutreffende Formulierung, die Gebühr entstehe für den Verteidiger mit Erhalt oder Kenntnis des gegnerischen Rechtsmittels. Auch für das Berufungsverfahren ist ein gesonderter Auftrag erforderlich. Vor Kenntnis des gegnerischen Rechtsmittels wird der Auftraggeber in aller Regel keinen Auftrag erteilt haben, so dass die bloße Entgegennahme und Weiterleitung der Berufungsschrift grundsätzlich noch nicht die Gebühr nach VV 4124 auslösen kann. Die Übersendung des Berufungsschriftsatzes an den Auftraggeber wird in diesem Falle noch durch die erstinstanzlichen Gebühren abgegolten. Dies ergibt sich aus § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9.
Rz. 6
Die Verfahrensgebühr des Berufungsverfahrens entsteht auch dann, wenn der Verteidiger Gespräche mit der Staatsanwaltschaft führt, mit dem Ziel, die Rücknahme des eingelegten Rechtsmittels zu erreichen.
Rz. 7
Etwas anderes mag dann gelten, wenn der Auftraggeber in Erwartung des Rechtsmittels bereits bedingt für den Fall, dass dieses eingelegt werde, einen Auftrag erteilt hat und der Anwalt sich auf das Rechtsmittel der Gegenseite hin bei Gericht bestellt. Wird dem Verteidiger nach Berufung der Gegenseite der Auftrag für das Berufungsverfahren erteilt, so wird der Gebührentatbestand der VV 4124 mit der ersten Tätigkeit des Verteidigers erfüllt, in der Regel mit der Entgegennahme der Information. Insbesondere löst also bereits die Beratung über die Aussichten der von der Gegenseite eingelegten Berufung und über das weitere Vorgehen hinsichtlich der von dritter Seite eingelegten Berufung die Gebühr nach VV 4124 aus, auch dann, wenn die Berufung anschließend wieder zurückgenommen wird.
Rz. 8
Die Verfahrensgebühr nach VV 4124 kann im Gegensatz zur Terminsgebühr insgesamt nur einmal entstehen (§ 15 Abs. 1).
Rz. 9
Die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren nach VV 4124 gilt auch die Tätigkeit des Rechtsanwalts in einem Verfahren über die Beschwerde Kosten- und Auslagenentscheidung des Berufungsverfahrens ab. Eine Gebühr nach VV 3500 fällt nicht an (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a).
Rz. 10
Auch dann, wenn allein die Anordnung des Verfalls vom Wertersatz Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, entsteht daneben die Verfahrensgebühr der VV 4124.
II. Kostenentscheidung und Kostenerstattung
Rz. 11
Über die Kosten des Berufungsverfahrens ist nach § 473 Abs. 1 bis 4 StPO zu entscheiden. Die Kosten einer erfolglosen oder zurückgenommenen Berufung treffen denjenigen, der sie eingelegt hat (§ 473 Abs. 1 StPO). Wird der Angeklagte im Berufungsverfahren freigesprochen, so ist nach § 467 StPO zu entscheiden.
Rz. 12
Der Umfang der zu erstattenden Kosten richtet sich auch im Berufungsverfahren nach § 464a StPO.
Rz. 13
Umstritten ist, inwieweit eine Kostenerstattung zugunsten des Beschuldigten in Betracht kommt, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurücknimmt, bevor sie begründet worden ist. Hier wird leider häufig die Frage, ob der Verteidiger in diesem Stadium eine Gebühr verdient hat, mit der Frage verwechselt, ob eine solche Gebühr auch erstattungsfähig ist. Beides ist voneinander zu trennen.
Rz. 14
Legt die Staatsanwaltschaft Berufung ein, so entsteht mit der ersten Tätigkeit des Verteidigers nach Auftragserteilung im Berufungsverfahren die Gebühr nach VV 4124. Die Vorschrift des § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 greift nicht, da diese nur für das eigene Rechtsmittel gilt (siehe hierzu im Einzelnen § 19 Rdn 117 ff.).
Rz. 15
Die Erstattungsfähigkeit dieser Gebühr hängt davon ab, ob es sich hierbei um notwendige Kosten i.S.d. § 473 Abs. 2 S. 1 StPO handelt. Das wiederum richtet sich nach § 464a Abs....