Rz. 12
Ein Strafverfahren kann in jedem Stadium eingestellt werden. Die Einstellung kommt also sowohl im vorbereitenden als auch im gerichtlichen Verfahren einschließlich Berufung und Revision in Betracht. Darauf, wer das Verfahren einstellt – Staatsanwaltschaft oder Gericht –, kommt es nicht an. Daher ist Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 auch dann anwendbar, wenn die Staatsanwaltschaft die Anklage oder den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zurücknimmt und das Verfahren anschließend nach § 170 Abs. 2 StPO einstellt (siehe Rdn 104 ff.).
Rz. 13
Auf den Zeitpunkt der Einstellung kommt es – im Gegensatz zur Rücknahme eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl oder eines Rechtsmittels – nicht an. Einzige Voraussetzung ist, dass die Einstellung vor Beginn der Hauptverhandlung oder einer erneuten Hauptverhandlung (siehe Rdn 51) erfolgt.
Rz. 14
Für alle Verfahrensabschnitte setzt Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 voraus, dass das Verfahren "nicht nur vorläufig" eingestellt wird. Dieses Tatbestandsmerkmal der "nicht nur vorläufigen Einstellung" wird vielfach dahin gehend missverstanden, dass es sich um eine endgültige Einstellung handeln müsse. Dieser Umkehrschluss ist jedoch unzutreffend. Wie sich aus der negativen Formulierung des Gesetzes ergibt, erfordert die Vorschrift lediglich, dass die Staatsanwaltschaft oder das Gericht subjektiv von einer endgültigen Einstellung ausgegangen sein müssen. Die Verfahrenseinstellung muss das "Ziel der Endgültigkeit" gehabt haben. Mit seiner Formulierung "nicht nur vorläufig" wollte der Gesetzgeber lediglich diejenigen Einstellungen aus dem Anwendungsbereich der Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ausschließen, die schon von vornherein als nur vorübergehend gedacht sind. Daher reicht z.B. auch eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO für die Anwendung der Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 aus, selbst dann, wenn das Verfahren später wieder aufgenommen wird.
Beispiel: Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren auf die Einlassung des Verteidigers hin gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts ein. Nachträglich taucht ein neuer Zeuge auf, sodass die Staatsanwaltschaft das Verfahren wieder aufnimmt.
Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO war nicht nur vorläufig. Der Verteidiger erhält daher eine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1. Für die weitere Tätigkeit nach Wiederaufnahme erhält er dagegen keine neue Verfahrensgebühr nach VV 4104 (abgesehen vom Fall des § 15 Abs. 5 S. 2). Die weitere Tätigkeit kann nur im Rahmen des § 14 Abs. 1 berücksichtigt werden.
Rz. 15
Die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 entsteht auch dann, wenn sich an die Einstellung eines Strafverfahrens gemäß § 43 Abs. 1 OWiG ein Bußgeldverfahren wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit anschließt. Die gegenteilige Entscheidung des BGH ist nicht mehr gültig, da der Gesetzgeber mit dem 2. KostRMoG die Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 geändert und dem Wort "Verfahren" die Vorsilbe "Straf-" vorangestellt hat. Es heißt dort nicht mehr, dass die Gebühr (erst) bei Einstellung "des Verfahrens" entsteht, sondern (bereits) bei Einstellung "des Strafverfahrens". Damit ist klargestellt, dass mit Einstellung des Strafverfahrens die Gebühr anfällt, unabhängig davon, ob die Tat als solche in einem anderen Verfahren, nämlich einem Bußgeldverfahren, weiterverfolgt wird.
Rz. 16
Ungeachtet der gesetzlichen Klarstellung sind die verschiedenen Fälle der Einstellung des Strafverfahrens unter gleichzeitiger der Abgabe an die Bußgeldbehörde zu differenzieren:
aa)1. Fall: Abgabe nach § 43 Abs. 2 OWiG
Rz. 17
Hatte die Staatsanwaltschaft im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen bereits selbst schon wegen der Ordnungswidrigkeit ermittelt, stellt sie das Strafverfahren später aber nur hinsichtlich der Straftat ein und gibt sie die Sache wegen der Ordnungswidrigkeit nach § 43 Abs. 2 OWiG an die Verwaltungsbehörde ab, kann im Strafverfahren keine Zusätzliche Gebühr anfallen. Dies galt auch schon vor der Entscheidung des BGH, weil es sich insoweit nur um eine Teileinstellung des Verfahrens handelt, die für eine Zusätzliche Gebühr nach...