Rz. 58
Wird der Anwalt außergerichtlich beauftragt, die Ersatzansprüche des Geschädigten geltend zu machen, so ist zu differenzieren:
Rz. 59
Hat der Anwalt nur den Auftrag, nach der zu erwartenden Anklageerhebung die Ansprüche gemäß § 403 StPO geltend zu machen, so richtet sich insoweit seine Vergütung nach VV 4143. Allerdings liegt lediglich ein bedingter Auftrag vor. Kommt es anschließend nicht zum Adhäsionsverfahren, etwa weil im Strafbefehlsverfahren entschieden wird, erhält der Anwalt keine Gebühr nach VV 4143. Ihm bleiben nur die VV 4100, 4104, 4106.
Rz. 60
Hat der Anwalt dagegen lediglich den Auftrag, die Ansprüche außergerichtlich einzufordern, ohne dass ihm bereits der Auftrag erteilt worden ist, die Ansprüche später im Adhäsionsverfahren geltend zu machen, erhält er hierfür die Vergütung nach VV 2300. Der Ausschluss nach VV Vorb. 2 Abs. 3 greift nicht, weil es sich um zivilrechtliche Ansprüche handelt, nicht um eine Strafsache, zumal in diesem Stadium häufig noch gar nicht feststeht, ob überhaupt Klage erhoben wird und wenn ja, ob diese vor dem Zivilgericht oder dem Strafgericht erhoben werden soll. Da es bei der außergerichtlichen Geltendmachung hier an einem Strafverfahren fehlt, sind die Gebühren des VV Teil 4 nicht anwendbar. Es gelten vielmehr die Gebühren nach VV Teil 2.
Rz. 61
Strittig ist, ob eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr in entsprechender Anwendung der VV Vorb. 3 Abs. 4 hälftig auf die Verfahrensgebühr im Adhäsionsverfahren anzurechnen ist. Zum Teil wurde bisher eine Regelungslücke angenommen und in analoger Anwendung der VV Vorb. 3 Abs. 4 eine hälftige Anrechnung befürwortet. Zutreffend dürfte eine Anrechnung jedoch abzulehnen sein. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich eine Anrechnung nur auf die Verfahrensgebühren aus VV Teil 3 vorgesehen. In Anbetracht dessen, dass dem Gesetzgeber das Problem bekannt ist und er trotz der umfassenden Änderung der Anrechnungsvorschriften durch das 2. KostRMoG keine Veranlassung gesehen hat, eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühren nach VV Teil 4 anzuordnen, kann von einer Regelungslücke nicht (mehr) ausgegangen werden. Dafür spricht insbesondere, dass er jetzt ausdrücklich in VV Vorb. 2.3 Abs. 5 erstmals eine Anrechnung auf Gebühren nach VV Teil 6 eingeführt hat, eine Anrechnung auf die Gebühren nach VV Teil 4 aber nach wie vor nicht anordnet.
Beispiel: Der Anwalt erhält den Auftrag, außergerichtlich ein Schmerzensgeld i.H.v. 5.000 EUR einzufordern. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens erhält er den Auftrag zur Erhebung einer Nebenklage und Einleitung eines Adhäsionsverfahrens.
I. Außergerichtliche Tätigkeit (Wert: 5.000 EUR)
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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501,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
521,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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98,99 EUR |
Gesamt |
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619,99 EUR |
II. Strafverfahren
1. Vorbereitendes Verfahren
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
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220,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 4104 |
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181,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
421,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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80,09 EUR |
Gesamt |
|
501,59 EUR |
2. Gerichtliches Verfahren
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4106 |
|
181,50 EUR |
2. |
Terminsgebühr, VV 4108 |
|
302,50 EUR |
3. |
2,0-Gebühr, VV 4143 (Wert: 5.000 EUR) |
|
668,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.172,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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222,68 EUR |
Gesamt |
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1.394,68 EUR |
Rz. 62
Anzurechnen ist dagegen eine vorangegangene Beratungsgebühr (§ 34 Abs. 2), sofern nichts anderes vereinbart worden ist.
Rz. 63
Im Rechtsmittelverfahren kann zudem die Prüfungsgebühr der VV 2100 anzurechnen sein (Anm. Abs. 2 zu VV 2100 a.F.).