I. Anwendungsbereich
1. Einigung über den Strafanspruch oder den Kostenerstattungsanspruch (VV 4147)
a) Einigung im Sühnetermin
Rz. 3
Kommt es im Sühneverfahren zu einer Einigung der Beteiligten über das Privatklageverfahren, also bezüglich des Strafanspruchs und des Kostenerstattungsanspruchs, so erhalten die Anwälte, die daran mitgewirkt haben, nach VV 1000 i.V.m. VV 4147 eine Gebühr in Höhe der Verfahrensgebühr der VV 4104 (zur genauen Berechnung siehe Rdn 14).
b) Einigung im gerichtlichen Verfahren
Rz. 4
Kommt es im Verfahren vor dem Amtsgericht zu einer solchen Einigung, so erhält der Anwalt nach VV 1000 i.V.m VV 4147 eine Gebühr i.H. der Verfahrensgebühr nach VV 4106 (zur genauen Berechnung siehe Rdn 14).
Rz. 5
Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht erhält der Anwalt eine Gebühr i.H. der Verfahrensgebühr nach VV 4124 (zur genauen Berechnung siehe Rdn 14).
Rz. 6
Im Revisionsverfahren vor dem Oberlandesgericht erhält der Anwalt eine Gebühr i.H. der Verfahrensgebühr nach VV 4130 (zur genauen Berechnung siehe Rdn 14).
2. Einigungsgebühr nach VV 1000 ff. (Anm. zu VV 4147)
Rz. 7
Nach der Anm. zu VV 4147 können die Anwälte anstelle oder neben der Gebühr nach VV 4147 zusätzlich eine Einigungsgebühr nach VV 1000 ff. verdienen, wenn sie sich auch über vermögensrechtliche Ansprüche einigen. Die Gebühr kann sowohl im Sühneverfahren als auch im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren oder im Berufungs- oder Revisionsverfahren entstehen. Neben der Einigungsgebühr erhält der Anwalt auch hier eine Betriebsgebühr, je nachdem, welcher Auftrag ihm erteilt worden war. Ebenso kann die Gebühr anfallen, wenn der Anwalt nur mit Einzeltätigkeiten nach VV 4300 befasst ist.
II. Die "Privatklageeinigung"
1. Einigung
Rz. 8
Nach VV 4147 erhält der Anwalt bei Abschluss einer Einigung eine zusätzliche Gebühr. Da ausdrücklich auf VV 1000 verwiesen wird, müssen also die Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben sein.
Rz. 9
Die Privatklageeinigung i.S.d. VV 4147 ist ein Vertrag, der zwischen dem Privatkläger oder dem Privatklageberechtigten und dem Beschuldigten geschlossen wird. Dieser Vertrag muss darauf gerichtet sein, das bereits anhängige Privatklageverfahren endgültig zu beenden oder ein noch nicht eingeleitetes Privatklageverfahren zu vermeiden.
Rz. 10
Für erforderlich gehalten wurde bislang in Entsprechung des § 23 BRAGO ein gegenseitiges Nachgeben. Die Gegenauffassung hielt dagegen ein gegenseitiges Nachgeben nicht für erforderlich. Nachdem jetzt VV 1000 nur noch eine Einigung vorsieht, wird auch hier ein gegenseitiges Nachgeben nicht mehr erforderlich sein. So wird also insbesondere jetzt schon in der bloßen Zustimmung zur Rücknahme der Privatklage gemäß § 391 Abs. 1 S. 2 StPO eine Einigung gesehen werden können. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn die Parteien nur eine Einigung über vermögensrechtliche Ansprüche schließen und dem Gericht die Entscheidung im Privatklageverfahren überlassen (siehe Beispiel Rdn 35).
Rz. 11
An die Einigung sind äußerst geringe Anforderungen zu stellen. Es reicht jedes Übereinkommen aus, das zur Beendigung des Verfahrens führt und eine Privatklage erledigt oder vermeidet. Es ist jedoch ein Mindestmaß an Nachgeben und Mitwirkung erforderlich. Es reicht also nicht aus, wenn der Privatkläger aus eigenem Entschluss die Privatklage zurücknimmt oder nach Scheitern des Sühneverfahrens von der Privatklage Abstand nimmt. Die Beendigung des Verfahrens muss vielmehr aufgrund eines Übereinkommens der Parteien erfolgen. Zumindest der Privatkläger oder der Beschuldigte muss von seiner Rechtsposition abrücken.
Beispiel: Im Sühnetermin erklärt der Beschuldigte, dass er die ehrkränkenden Äußerungen zurücknehme und nicht weiter aufrechterhalte und darüber hinaus die bisher angefallenen Kosten übernehme.
Nachgegeben hat hier zwar nur der Beschuldigte, indem er die Äußerungen widerrufen und die Kosten übernommen hat. Der Verletzte ist dagegen mit seinen Forderungen voll durchgedrungen. Da er aufgrund der Erklärungen des Beschuldigten jedoch von der Erhebung einer Privatklage Abstand genommen hat, ist eine Einigung i.S.d. VV 4147 gegeben.
Rz. 12
Keine Einigung liegt dagegen vor, wenn der Verletzte aus anderen Gründen, etwa lediglich aufgrund des Kostenrisikos, von einer Privatklage Abstand nimmt.
Beispiel: Im Sühnetermin erklärt der Beschuldigte, die angeblichen Beleidigungen und Äußerungen niemals von sich gegeben zu haben. In Anbetracht des Beweis- und Kostenrisikos sieht der Verletzte daraufhin von der Durchführung der Privatklage ab.
Hier fehlt es an einer Einigung der Parteien. Der Entschluss des Verletzten hat andere Gründe, so dass VV 4147 nicht anwendbar ist.
Rz. 13
Die Privatklageeinigung kann in jedem Verfahrensstadium geschlossen werden. Das gilt nicht nur im Sühneverfahren und im gerichtlichen Verfahren. Der Gebührentatbestand ist auch dann entsprechend anwendbar, wenn sich die Beteiligten vor dem Sühnetermin oder zwischen Sühnetermin und Erhebung der Privatklage einigen, wenn es also aufgrund der Einigung nicht mehr zum Sühnetermin kommt oder wenn sich die Parteien nach einem gescheiterten Sühnetermin doch noch einigen.