1. Anfertigung
Rz. 7
Für den Gebührentatbestand der Nr. 2 reicht es aus, dass der Anwalt einen Antrag, ein Gesuch oder eine sonstige Erklärung anfertigt, also entwirft. Er muss den Schriftsatz also weder unterzeichnen noch im Original ausgefertigt oder gar auf seinen Briefkopf genommen haben. Es reicht vielmehr aus, dass er dem Auftraggeber eine entsprechende Vorlage zur Verfügung stellt, so dass dieser selbst den Antrag ausfertigen und unterzeichnen kann.
2. Unterzeichnung
Rz. 8
Ebenso wie die bloße Anfertigung genügt auch die bloße Unterzeichnung eines Antrags, Gesuchs oder einer anderweitigen Erklärung. Der Anwalt verdient daher auch die Gebühr der Nr. 2, wenn er den Antrag, das Gesuch oder die Erklärung selbst gar nicht verfasst hat, also wenn er das Schriftstück des Auftraggebers oder des anderen Anwalts unterzeichnet und durch seine Unterschrift die Verantwortung übernimmt.
3. Einreichung
Rz. 9
Ebenso wie bei VV 3403 wird man auch die Einreichung eines Gesuchs, eines Antrags oder einer Erklärung für die Anwendung der Nr. 2 als ausreichend ansehen müssen. Der Anwalt erhält daher auch die Gebühr nach Nr. 2, wenn er einen von einem anderen angefertigten und unterzeichneten Antrag, ein Gesuch oder eine Erklärung bei Gericht einreicht, sofern er hierfür durch vorherige Prüfung die Verantwortung übernimmt.
4. Einzelfälle
Rz. 10
Zu den Anträgen, Gesuchen oder Erklärungen i.S.d. Nr. 2 zählen insbesondere:
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Strafanzeige |
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Strafantrag |
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Anschlusserklärung für den Nebenkläger |
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Prozesskostenhilfeanträge |
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einzelne Beweisanträge |
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Rücknahme von Rechtsmitteln |
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Kostenfestsetzungsanträge oder anderweitige Vertretung im Kostenfestsetzungsverfahren, und zwar auch für den Rechtsmittelanwalt. |
Beispiel: Der Auftraggeber hat sich erstinstanzlich selbst vertreten. Im Berufungsverfahren beauftragt er einen Anwalt mit der Verteidigung. Nach Abschluss des Berufungsverfahrens beauftragt er den Anwalt, ihn im erstinstanzlichen Kostenfestsetzungsverfahren zu vertreten, da er die vom Nebenkläger angemeldeten und zu dessen Gunsten festgesetzten Kosten für überhöht hält.
Der Anwalt erhält für die Verteidigung in der Berufungsinstanz die Gebühren nach VV 4124 ff.; für das Kostenfestsetzungsverfahren erhält er zusätzlich eine Gebühr nach Nr. 2. Es handelt sich um zwei verschiedene Angelegenheiten.
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Antrag auf Freigabe einer Sicherheit für den Bürgen oder einen sonstigen Dritten nach § 123 StPO |
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Anträge auf gerichtliche Entscheidung (ausgenommen das Verfahren nach § 172 Abs. 2 bis 4, § 173 Abs. 1 StPO, das nach VV 4301 Nr. 5 vergütet wird) |
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Tätigkeiten für einen Zeugen in Ordnungsgeldverfahren, wobei die Beschwerde allerdings bereits als Rechtsmittel i.S.d. Nr. 1 anzusehen ist (siehe Rdn 4 m.w.N). |
5. Mehrere Aufträge
Rz. 11
Soll der Anwalt mehrere Anträge stellen oder mehrere Gesuche oder Erklärungen einreichen, so kann es im Einzelfall fraglich sein, ob eine oder mehrere Angelegenheiten – dann allerdings mit der Begrenzung des § 15 Abs. 6 – gegeben sind (weitere Ausführungen siehe VV Vorb. 4.3 Rdn 25 ff.).
6. Vorrangige Vorschriften
Rz. 12
Die Anfertigung oder Unterzeichnung einer Privatklage fällt nicht unter Nr. 2. Insoweit gilt die vorrangige Vorschrift der VV 4301 Nr. 1. Anträge und Rechtsmittel in Wiederaufnahmeverfahren (VV 4136), im Gnadenverfahren (VV 4303) oder in Zwangsvollstreckungsverfahren (VV Vorb. 4 Abs. 5) fallen ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich der Nr. 2, sondern werden durch die jeweiligen besonderen Gebührentatbestände abgegolten.