I. Persönlicher Anwendungsbereich
Rz. 2
VV 4303 gilt für jeden Vertreter des Verurteilten im Gnadenverfahren, also sowohl für den früheren Verteidiger (Anm. zu VV 4303), als auch für denjenigen, der erstmals mit der Gnadensache beauftragt worden ist.
Rz. 3
Die Vorschrift gilt auch für andere Vertreter i.S.d. VV Vorb. 4 Abs. 1, sofern sie in einer Gnadensache tätig werden.
Rz. 4
Voraussetzung ist allerdings, dass der Anwalt mit der Vertretung im gesamten Gnadenverfahren betraut ist. Hat er lediglich den Auftrag, einen Gnadenantrag zu stellen, zu unterzeichnen, eine Besprechung zu führen oder eine sonstige Einzeltätigkeit vorzunehmen, so gilt VV 4302 Nr. 2. Die Gebühren für mehrere Einzeltätigkeiten dürfen jedoch den Betrag von 330 EUR – den Höchstbetrag einer Gebühr nach VV 4303 – nicht übersteigen (§ 15 Abs. 6).
II. Sachlicher Anwendungsbereich
Rz. 5
Die Gebühr der VV 4303 gilt für sämtliche in den Gnadenordnungen geregelten Gnadenverfahren, soweit es um Strafsachen geht; für Gnadensachen nach VV Teil 6, etwa in Disziplinarverfahren o.Ä., gilt VV 6404.
Rz. 6
Nach § 452 StPO steht das Gnadenrecht dem Bund (gemäß Art. 60 Abs. 2 und 3 GG dem Bundespräsidenten) zu, sofern ein Bundesgericht erstinstanzlich entschieden hat. Im Übrigen wird das Gnadenrecht durch die Länder ausgeübt. Unerheblich für VV 4303 ist, wer das Gnadenrecht ausübt. Die Vorschrift gilt also auch dann, wenn die Ausübung des Gnadenrechts einer anderen Regierungsstelle oder den Gerichten übertragen ist.
Rz. 7
Abzugrenzen sind die Gnadenverfahren von anderen Verfahren, die sich auf eine nicht im Gnadenweg erstrebte Milderung, einen Erlass oder eine Reduzierung der ausgesprochenen Strafe erstrecken, wie:
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Tätigkeiten im Hinblick auf die Einstellung eines Strafverfahrens; |
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Anträge an das Gericht, die Vollstreckungsbehörde oder den Vollstreckungsleiter auf Strafaussetzung, Stundung von Geldstrafen, Gewährung von Ratenzahlung, Strafaufschub etc. (§ 57 StGB, § 453 StPO, § 88 JGG). Solche Tätigkeiten werden durch die VV 4100 ff. abgegolten, sofern sie vom Verteidiger vor Erlass der die Instanz abschließenden Entscheidung gestellt werden und das Gericht nach § 260 Abs. 4 StPO hierüber zu entscheiden hat. Ist der Anwalt nicht Verteidiger, sondern ist er insoweit nur mit der Stellung solcher Anträge beauftragt, greift VV 4301 Nr. 6. Dies gilt auch für den Verteidiger, der nach Erlass der gerichtlichen Entscheidung tätig wird (§ 453 StPO). Solche Tätigkeiten zählen nicht mehr zur Instanz; |
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Anträge auf Tilgung von Einträgen im Strafregister oder auf Anordnung beschränkter Auskunft. Solche Anträge richten sich an die Justizbehörden als Verwaltungsbehörden. Die Vergütung des Anwalts richtet sich nach den VV 2300 ff. für die außergerichtlichen Tätigkeiten und nach VV 3100 ff. für die Tätigkeit im gerichtlichen Überprüfungsverfahren. |
Rz. 8
Ebenfalls nicht durch die Gebühr nach VV 4303 abgegolten ist eine Anfechtung der Gnadenentscheidungen im Verwaltungsrechtswege. Auch hier gelten für das Anfechtungsverfahren die VV 2300 ff. und für das anschließende gerichtliche Verfahren die VV 3100 ff.
Rz. 9
Das Verfahren muss vor einer Gnadenstelle stattfinden. Gnadenstellen sind auch die bei Gerichten eingerichteten Gnadenstellen, sofern ihnen in beschränktem Umfang das Gnadenrecht übertragen worden ist (z.B. in Nordrhein-Westfalen die Gnadenstellen beim LG).
III. Umfang der Angelegenheit
Rz. 10
Die Vergütung nach VV 4303 entgilt sämtliche Tätigkeiten im Gnadenverfahren. Die Gebühr entsteht mit der ersten Tätigkeit nach Erteilung des Auftrags, also in der Regel mit der Entgegennahme der Information (VV Vorb. 4 Abs. 2). Abgegolten werden sämtliche Tätigkeiten einschließlich der Antragstellung und der Besprechung mit Dritten. Hierzu zählen auch Besuche in der Vollzugsanstalt, Besprechungen mit der Gnadenbehörde sowie sämtlicher Schriftverkehr. Auch eventuelle Beschwerdeverfahren sind durch die Gebühr abgegolten.
Rz. 11
Die Angelegenheit endet mit der die Instanz abschließenden Entscheidung über das Gnadengesuch. Soweit sich das Gnadenverfahren über mehrere Stellen oder Instanzen hinzieht, werden gemäß VV Vorb. 4.3 Abs. 3 S. 2 entgegen der früheren Regelung der BRAGO (§ 93 BRAGO) mehrere Angelegenheiten ausgelöst (siehe Rdn 12).
Rz. 12
Wird anschließend ein erneutes Gnadengesuch gestellt, so handelt es sich um eine neue Angelegenheit, so dass die Gebühr des VV 4303 ein weiteres Mal entsteht. Dass sich der Antrag von dem vorangegangenen – abgelehnten – Gnadengesuch unterscheiden muss, ist nicht erforderlich. Jeder selbstständige Antrag, mag er auch nur eine Wiederholung sein, ist eine neue Angelegenheit.
Rz. 13
Vertritt der Anwalt mehre...