Lotte Thiel, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Verfahren
Rz. 59
Im Anordnungsverfahren ist nach § 425 Abs. 1 FamFG eine Frist von höchstens einem Jahr zu bestimmen, vor deren Ablauf vom Gericht über die Fortdauer der Freiheitsentziehung von Amts wegen zu entscheiden ist. Abgesehen davon ist die Freiheitsentziehung nach § 426 FamFG von Amts wegen und nach § 426 Abs. 2 FamFG auf Antrag schon vor Ablauf der nach § 425 Abs. 1 FamFG festgesetzten Frist aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist.
Rz. 60
Unterbringungsmaßnahmen in Unterbringungssachen und Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 6, 7 FamFG enden nach §§ 167, 329 Abs. 1 FamFG spätestens mit dem Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit dem Ablauf von zwei Jahren. Für die Verlängerung der Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gelten die Vorschriften über die erstmalige Anordnung entsprechend (§§ 167, 329 Abs. 2 S. 1 FamFG). Die Aufhebung der Unterbringung richtet sich verfahrensrechtlich nach §§ 167, 330 FamFG.
2. Anwendungsbereich
Rz. 61
VV 6302 ist anwendbar in Verfahren über die
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Verlängerung einer Freiheitsentziehung nach § 425 FamFG – die Vorschrift findet ggf. auch in anderen bundesgesetzlich oder landesgesetzlich geregelten Freiheitsentziehungsverfahren Anwendung, die auf § 425 FamFG verweisen, |
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Aufhebung einer Freiheitsentziehung nach § 426 FamFG, |
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Verlängerung einer Unterbringungsmaßnahme nach § 329 FamFG und |
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Aufhebung einer Unterbringungsmaßnahme nach § 330 FamFG. |
3. Gebühren
a) Verfahrens- und Terminsgebühr
Rz. 62
Verfahren über die Verlängerung oder Aufhebung einer Freiheitsentziehung nach den §§ 425 und 426 FamFG oder einer Unterbringungsmaßnahme nach den §§ 329 und 330 FamFG bezeichnet der Gesetzgeber als "sonstige Fälle", in denen der Anwalt die Vergütung nach VV 6302, 6303 erhält. Auch danach wird die Verfahrensgebühr (VV 6302) sowie die Gebühr für die Mitwirkung bei der mündlichen Anhörung oder Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen ausgelöst (VV 6303). Die Gebühr nach VV 6303 entsteht, wenn der Rechtsanwalt an einem gerichtlichen Termin jedweder Art teilgenommen hat (Anm. zu VV 6303).
Rz. 63
Hinsichtlich des Anfalls der Gebühren gelten die Ausführungen zu VV 6300, 6301 (vgl. Rdn 31 ff.). Auch hier erhöht sich bei mehreren Auftraggebern nach VV 6302 der Gebührenrahmen der Verfahrensgebühr nach VV 1008 um jeweils 30 % je weiteren Auftraggeber.
b) Mehrere Verfahren
Rz. 64
Werden mehrere Verfahren auf Aufhebung oder Fortdauer eingeleitet, so erhält der Anwalt die Gebühr für jedes Verfahren gesondert.
c) Verlängerung und Aufhebung in demselben Verfahren
Rz. 65
Nur einmal erhält der Anwalt die Gebühren allerdings, wenn über die Aufhebung und Fortdauer in demselben Verfahren entschieden wird (§ 15 Abs. 2). Die Vergütung richtet sich dann nach VV 6302. Wird die Aufhebung bereits im Anordnungsverfahren beantragt, entsteht die Verfahrensgebühr nach VV 6300. Die Verfahrensgebühr VV 6302 entsteht ebenfalls nur einmal, wenn über die Aufhebung der Freiheitsentziehung von Amts wegen gem. § 426 Abs. 1 FamFG und gem. § 426 Abs. 2 FamFG auf Antrag in demselben Verfahren zu entscheiden ist. Ggf. sind die Gebühren nach § 14 Abs. 1 höher anzusetzen.
d) Weitere Verfahren
Rz. 66
Entsprechend anwendbar sind die VV 6302, 6303 im Verfahren auf Widerruf der vorläufigen Entlassung aus der Freiheitsentziehung sowie im Verfahren hinsichtlich der Beurlaubung und des Widerrufs der Beurlaubung des Betroffenen nach §§ 424 Abs. 1, 328 Abs. 1 FamFG.
e) Rechtszug
Rz. 67
Die Vergütung wird für jeden Rechtszug gesondert gewährt, Anm. zu VV 6302 (§ 17 Nr. 1). Das gilt auch für die Terminsgebühr. Der Anwalt kann daher im Beschwerdeverfahren und im Verfahren der Rechtsbeschwerde die Gebühren nach VV 6302, 6303 erneut verdienen. Insoweit gelten die Ausführungen bei VV 6300, 6301entsprechend.
f) Einstweilige Anordnung
Rz. 68
Wenn der Rechtsanwalt sowohl im Verfahren auf einstweilige Anordnung über die Verlängerung der vorläufigen Unterbringung als auch im Hauptsacheverfahren tätig wird, wird er in verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten tätig. Beide Verfahren bilden nach § 17 Nr. 4 Buchst. b verschiedene Angelegenheiten. Es entstehen daher gesonderte Gebühren nach VV 6300 ff. Im Übrigen wird auf die entsprechenden Erläuterungen zu VV 6300 verwiesen. Anordnungs- und Aufhebungsverfahren sind dagegen untereinander nur eine Angelegenheit (§ 16 Nr. 5).
4. Höhe der Gebühren
Rz. 69
Die Gebühren nach VV 6302, 6303 sind geringer als die nach VV 6300, 6301. Der Gebührenrahmen beläuft sich auf 22 EUR bis 330 EUR. Die Mittelgebühr beträgt 176 EUR.
Rz. 70
Der gerichtlich beigeordnete Anwalt erhält eine Festgebühr i.H.v. jeweils 141 EUR, wobei auch hier die Erhöhung bei mehreren Auftraggebern nach VV 1008 zu beachten ist.