Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Überblick
Rz. 236
Wird nach der durch Nr. 1 Buchst. a bis c gebotenen Erforderlichkeitsprüfung die Entstehung der Dokumentenpauschale bejaht, folgt aus § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO, dass diese auch vom Erstattungspflichtigen zu erstatten ist. Es kann auf die Erläuterungen zur Entstehung der Dokumentenpauschale nach Nr. 1 Buchst. a bis c verwiesen werden (vgl. Rdn 45 ff.). Die ständige Rechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte zu § 27 BRAGO, die eine Erstattung mangels Anfall der Dokumentenpauschale ablehnte, lässt sich auf das RVG nicht übertragen. Allerdings beginnt die Erstattungspflicht in den Fällen der Nr. 1 Buchst. b und c erst ab der 101. Seite (siehe Rdn 180).
Rz. 237
Erstattungsfähig sind Dokumentenpauschalen auch dann, wenn die Beifügung von Kopien der Verfahrensbeschleunigung dient. Gleiches gilt, wenn der Anwalt die Originalurkunde ständig benötigt und nicht aus der Hand geben kann, ebenfalls, wenn es sich um eine nicht ersetzbare Urkunde handelt, die nicht aus der Hand gegeben werden soll. Die Notwendigkeit von Kopiekosten ist auch dann bejaht worden, wenn es auf das Gesamtbild der Urkunde ankommt, wenn also die textliche Wiederholung des Inhalts nicht genügt. Darüber hinaus wird die Erstattungsfähigkeit bejaht, wenn Unterlagen vorgelegt werden, die zur Verdeutlichung und Untermauerung des Sachvortrags dienen (hier Patentrechtsstreit), wobei dies wohl der neueren Rechtsprechung des BGH zur Nichterstattungsfähigkeit von Schriftsatzanlagen widersprechen dürfte.
2. Ablichtung der erstinstanzlichen Akte durch Rechtsmittelanwalt
Rz. 238
Das Kopieren der Akte der ersten Instanz löst nach der Rechtsprechung des BGH grds. keine erstattungsfähigen Kopiekosten aus, da sich der Rechtsmittelanwalt die Unterlagen vom Mandanten oder dem vorinstanzlichen Anwalt (vgl. § 50 Abs. 1 BRAO) aushändigen lassen kann. Die Fertigung eigener Kopien aus der Gerichtsakte kommt hier erst in Betracht, wenn und soweit vorhandene Kopien und Abschriften nicht rechtzeitig zu dem Prozessbevollmächtigten gelangen.
Rz. 239
Für eine eingeschränkte Erstattungsfähigkeit ist allerdings das OLG Brandenburg, wobei die Entscheidung noch aus der Zeit vor der Entscheidung des BGH stammt. Welche Teile der Gerichtsakten zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache in diesem Fall notwendig sind, obliegt nach Auffassung des OLG Brandenburg auch hier dem pflichtgemäßen Ermessen des Anwalts.
Rz. 240
Etwas anderes gilt nach Rechtsprechung des BGH nur dann, wenn der Auftraggeber erstinstanzlich nicht beteiligt war und deshalb nicht auf die Handakten eines erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zurückgegriffen werden kann (z.B. bei Beteiligung einer Streithelferin erst in der Revisionsinstanz). Hier ist die Ablichtung der erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache durch den Bevollmächtigten der Streithelferin geboten. Es entsteht daher die Dokumentenpauschale, die auch vom Gegner zu erstatten ist.
3. Streitverkündete und Nebenintervenienten
Rz. 241
Zur Frage, ob die Herstellung von Kopien und Ausdrucken zur Zustellung an Streitverkündete und Nebenintervenienten aufgrund Rechtsvorschrift oder nach Aufforderung durch das Gericht eine Dokumentenpauschale nach Nr. 1 Buchst. b auslöst, vgl. Rdn 122.
Wird der Anfall der Dokumentenpauschale bejaht, gehört diese allerdings nicht zu den Kosten des Rechtsstreits i.S.d. § 91 ZPO. Denn mit der Streitverkündung wahrt die Partei ihre Interessen gegenüber dem Dritten und nicht gegenüber dem Gegner des Rechtsstreits.
4. Wohnungseigentümergemeinschaft
a) Verbandsprozess
Rz. 242
Die anwaltliche Informationspflicht gegenüber einer großen Wohnungseigentümergemeinschaft erfordert es i.d.R. nicht, dass der Prozessbevollmächtigte der Wohnungseigentümergemeinschaft sämtliche Prozessunterlagen kopiert und komplett jedem einzelnen Wohnungseigentümer zugeleitet werden (Nr. 1 Buchst. c). Es reicht vielmehr aus, den Vertreter der Wohnungseigentümer (Verwalter) in Kenntnis zu setzen, wenn es sich um einen Rechtsstreit gegen die Wohnungseigentü...