1. Anwendungsbereich

a) Behörden- und Gerichtsakten

 

Rz. 45

Für das Anfertigen von Kopien aus Behörden- und Gerichtsakten erhält der Anwalt die Dokumentenpauschale, sofern deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war (Nr. 1 Buchst. a). Die Entstehung der Dokumentenpauschale setzt also die Notwendigkeit der gefertigten Kopien oder Ausdrucke voraus (vgl. Rdn 49). Kopien und Ausdrucke aus anderen Akten, z.B. aus Versicherungsakten, Handakten von Rechtsanwälten, Arzt- bzw. Patientenakten, werden nicht erfasst. Kopien oder Ausdrucke aus Behörden- oder Gerichtsakten sind damit nicht gem. VV Vorb. 7 Abs. 1 als allgemeine Geschäftskosten mit den Gebühren abgegolten, wenn ihre Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war.[58] Erfasst sind auch Kopien und Ausdrucke aus der Akte des Verfahrens, in dem der Rechtsanwalt gerade tätig ist.[59]

[58] OVG Rheinland-Pfalz AGS 2010, 14 = JurBüro 2010, 370; VG Stuttgart AGS 2009, 328 = RVGreport 2009, 275.
[59] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 7000 Rn 49.

b) Papierakte und elektronische Akte

 

Rz. 46

Nr. 1 Buchst. a erfasst die Herstellung von Kopien aus einer Papierakte sowie die Herstellung von Ausdrucken aus einer elektronischen Akte.[60] Ebenfalls erfasst sind das Einscannen von Seiten einer Papierakte und der anschließende Ausdruck dieser Seiten durch den Rechtsanwalt.[61] Ohne den Ausdruck der eingescannten Akte fällt die Dokumentenpauschale aber nur unter den in Anm. Abs. 2 genannten Voraussetzungen an (vgl. Rdn 24 und 31 ff.). Zu der Frage, ob bereits das Einscannen eine Dokumentenpauschale auslöst, wird auf Rdn 24 ff. verwiesen. Eine Dokumentenpauschale wird auch zu bejahen sein, wenn dem Rechtsanwalt eine umfangreiche Gerichts- oder Behördenakte per Computerfax übermittelt wird und er diese – nach Sichtung der für seine Bearbeitung erforderlichen Teile – ausdruckt.[62]

[61] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 7000 Rn 52; OLG Düsseldorf StraFo 2015, 527; vgl. aber KG AGS 2015, 569 = RVGreport 2015, 464 = JurBüro 2016, 18 und KG 28.8.2015 – 1 Ws 59/15: Der Ausdruck eingescannter Gerichtsakten führt grds. nicht zur Entstehung der Dokumentenpauschale nach Nr. 1 Buchst. a.
[62] VG Dresden AGS 2019, 469.

2. Kein Einverständnis des Auftraggebers

 

Rz. 47

Der Rechtsanwalt kann eine Dokumentenpauschale nach Nr. 1 Buchst. a verlangen, ohne dass es darauf ankommt, dass der Auftraggeber hierzu sein Einverständnis erklärt hat. Erforderlich ist lediglich, dass das Anfertigen von Kopien oder Ausdrucken zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Insoweit besteht ein Ermessensspielraum des Anwalts. Darauf, ob diese Kosten im Falle des Obsiegens von der Gegenseite zu erstatten sind oder ob die Dokumente bei der Entscheidung des Gerichts berücksichtigt worden sind, kommt es nicht an.[63] Nicht das Gericht hat später im Rahmen der Erstattungsfähigkeit über die Notwendigkeit der Dokumentenpauschale zu entscheiden; vielmehr muss der Anwalt bei Ausführung des Mandats selbst beurteilen, ob und welche Kopien er benötigt.

[63] VG Oldenburg AGS 2009, 467 = NJW-Spezial 2009, 460; OVG Berlin-Brandenburg 18.9.2007 – 1 K 70.06.

3. Billigere Herstellung durch den Mandanten

 

Rz. 48

Es kommt für die Entstehung der Dokumentenpauschale nicht darauf an, ob der Mandant die Kopien oder Ausdrucke billiger herstellen könnte. Nr. 1 Buchst. a stellt für die Entstehung der Dokumentenpauschale nur darauf ab, ob die Kopien zur sachgemäßen Bearbeitung der Sache geboten waren. Im Übrigen könnte dem Mandanten die Akte in vielen Fällen auch nicht zur Herstellung von Kopien überlassen werden.[64]

[64] Vgl. KG RVGreport 2016, 106; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 7000 Rn 66.

4. Notwendigkeitsprüfung

a) Informationsbedürfnis

 

Rz. 49

Es ist zu berücksichtigen, dass sich der Anwalt ausreichend über den Streitstoff informieren und Eventualitäten vorbeugen muss. So kann es durchaus geboten sein, Seiten zu kopieren oder auszudrucken, obwohl deren Inhalt zunächst unstreitig ist. Es ist nie vorherzusehen, auf welche Tatsachen es im Laufe des Rechtsstreits noch ankommen wird und inwieweit die Gegenseite nachträglich Tatsachen bestreitet, die zunächst unstreitig waren. Daher kann der Anwalt im Rahmen seines Ermessens durchaus auch Kopien fertigen, denen zunächst nur nebensächliche Bedeutung zukommt oder auf die es im Laufe der Angelegenheit möglicherweise überhaupt nicht ankommen wird. In Anbetracht dessen, dass jede Aktenversendung z.B. nach GKG-KostVerz. 9003 Kosten i.H.v. 12 EUR verursacht (vgl. auch in Bußgeldsachen § 107 Abs. 5 OWiG), kann es daher auch durchaus zur Vermeidung einer erneuten Aktenanforderung geboten sein, zunächst scheinbar überflüssige Seiten zu kopieren.[65]

[65] Vgl. OLG Düsseldorf AGS 2007, 243; OVG Mecklenburg-Vorpommern 30.12.2009 – 3 M 58/09.

b) Prüfung durch den Anwalt

 

Rz. 50

Der Anwalt ist nicht verpflichtet, jede einzelne Seite auf ihre Wertigkeit zu prüfen, bevor er sie kopiert oder ausdruckt. Ein solcher Aufwand...

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