Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Grundlage für die Dokumentenpauschale
Rz. 254
Haftpflichtversicherer pflegen in aller Regel – insbesondere bei Verkehrsunfallschäden, die nicht eindeutig liegen – vorgerichtlich einen Aktenauszug einzuholen, um sich über den Umfang ihrer Einstandspflicht, insbesondere eine Mitverursachung oder ein Mitverschulden des Geschädigten, zu informieren. Diese Aktenauszüge können die Versicherer – soweit sie nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert sind – nicht selbst einholen. Aus Nr. 187 RiStBV ergibt sich, dass die privatrechtlich organisierten Versicherer nicht berechtigt sind, Akteneinsicht zu nehmen. Sie müssen sich hierzu eines Anwalts bedienen, dessen Tätigkeit sie zu vergüten haben.
Rz. 255
Die Tätigkeit des Anwalts wurde bis zum 30.6.2004 (1. KostRMoG zum 1.7.2004) nach einem seinerzeit vom DAV und dem HUK-Verband geschlossenen Abkommen über das "Honorar für Akteneinsicht und Aktenauszüge aus Unfallstrafakten für Versicherungsgesellschaften" abgerechnet. Der Anwalt erhielt danach für den Aktenauszug eine Pauschale von 26 EUR zuzüglich Nebenkosten und Umsatzsteuer. Da es sich um eine pauschale Vergütung handelte, wurde diese nicht auf die Prozessgebühr eines eventuell folgenden Rechtsstreits angerechnet. Der Versicherer muss die Kosten für den Aktenauszug vielmehr zusätzlich tragen. Nach diesem Abkommen kommt auch der Ersatz der Dokumentenpauschale nach VV 7000 für jede kopierte Seite des Aktenauszugs in Betracht.
2. Erstattung der Kosten
Rz. 256
Nach Abschluss des Rechtsstreits stellt sich dann häufig die Frage, ob der Versicherer die von ihm vorgelegten Kosten für den Aktenauszug erstattet verlangen kann. Die Rechtsprechung differenziert insoweit:
Rz. 257
Wird der Aktenauszug nur zum Zweck der Regulierung eingeholt oder dient er nur als Entscheidungshilfe, ob der Rechtsstreit überhaupt aufgenommen werden soll, dann sollen die Kosten hierfür nicht erstattungsfähig sein.
Rz. 258
Ist der Aktenauszug dagegen zur Durchführung des Rechtsstreits eingeholt worden, sind die hierfür aufgewandten Kosten als sog. Vorbereitungskosten nach § 91 Abs. 1, 2 ZPO erstattungsfähig. Ein Haftpflichtversicherer ist grds. berechtigt, sich zwecks Unterrichtung über den Unfallhergang durch einen Anwalt einen Auszug aus den Strafakten fertigen zu lassen. Nur nach entsprechender Unterrichtung ist es einem Haftpflichtversicherer möglich, sein Vorgehen im Rahmen der Rechtsverteidigung im Haftpflichtprozess abzustimmen und geeignete Prozessschritte abzuwägen. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts ist auch notwendig, da Strafakten nur an Rechtsanwälte zur Einsichtnahme und Fertigung von Kopien ausgehändigt werden. Die im Vorfeld des Prozesses entstandenen Kosten sind daher insoweit als zur Prozessvorbereitung erforderlich anzusehen.
Rz. 259
Der Versicherer kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass es kostengünstiger gewesen wäre, den Aktenauszug erst im Rechtsstreit einzuholen, weil dann die Tätigkeit des Anwalts durch die Prozessgebühr abgegolten gewesen wäre. Der Versicherer muss nicht warten, bis er verklagt wird. Er darf schon vorprozessual den Aktenauszug mit der entsprechenden Erstattungsfolge einholen.