Rz. 123
Während nach den ARB 75 grundsätzlich auch Reisekosten eines auswärtigen Anwalts vom Rechtsschutzversicherer zu übernehmen waren, ist dies nach den neueren ARB grundsätzlich nicht mehr der Fall. I.d.R. übernimmt der Rechtsschutzversicherer nur noch die Kosten eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwalts. Danach sind Fahrtkosten also nur für auswärtige Termine (z.B. Ortsbesichtigung, Rechtshilfevernehmung) zu ersetzen. Eine Ausnahme bildet die Rechtsschutzversicherung des ADAC. Danach werden die Reisekosten eines Anwalts aus dem Gerichtsbezirk übernommen.
Rz. 124
Die nach den ARB 75 noch geltende Regelung, wonach bei einer Entfernung von über 100 km auch die Fahrtkosten des Anwalts übernommen wurden, soweit sie die Vergütung eines Verkehrsanwaltes nicht überstiegen, ist weitgehend abgeschafft. Mehrkosten werden nur noch übernommen, wenn tatsächlich ein Verkehrsanwalt eingeschaltet wird. Eine Übernahme von Reisekosten bei gleichzeitiger Ersparnis der Verkehrsanwaltskosten kann allerdings mit dem Rechtsschutzversicherer im Einzelfall ausgehandelt werden. Erfahrungsgemäß besteht hierzu Bereitschaft seitens der Versicherer, da dies letztlich zur Kostenreduzierung beiträgt.
Rz. 125
Kommt eine unmittelbare Übernahme durch den Rechtsschutzversicherer nicht in Betracht, kann der Mandant diese Kosten aber u.U. aufgrund des ihm zustehenden Quotenvorrechts (§ 67 VVG) vom Gegner einfordern. Siehe hierzu ausführlich auch Anhang VI.
Beispiel: Der in Köln wohnende Mandant erhebt Klage vor dem LG Aachen (Wert: 10.000 EUR). Hierfür wird ihm Deckungsschutz erteilt. Der Kläger beauftragt einen in Köln ansässigen Anwalt. Der Klage wird überwiegend stattgegeben; die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 20 % und dem Beklagten zu 80 % auferlegt.
Die Gesamtkosten des Klägers belaufen sich wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 10.000 EUR) |
|
798,20 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 10.000 EUR) |
|
736,80 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
4. |
Fahrtkosten, VV 7003 Köln – Aachen und zurück, 2 × 70 km × 0,42 EUR |
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58,80 EUR |
5. |
Tage- und Abwesenheitsgeld, VV 7005 Nr. 1 |
|
30,00 EUR |
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Zwischensumme: |
1.643,80 EUR |
|
6. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
312,32 EUR |
Gesamt |
|
1.956,12 EUR |
Da die Reisekosten des Anwalts hier nicht versichert sind, erhält der Mandant von seinem Rechtsschutzversicherer lediglich:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 10.000 EUR) |
|
798,20 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 10.000 EUR) |
|
736,80 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme: |
1.555,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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295,45 EUR |
Gesamt |
|
1.850,45 EUR |
Es fehlen somit |
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105,67 EUR |
Diesen Betrag darf der Kläger vorab aus der Kostenerstattung entnehmen, da insoweit kein Übergang des Kostenerstattungsanspruchs auf den Versicherer stattfindet.
Insgesamt wird der Auftraggeber also von den gesamten Anwaltskosten freigestellt.
Rz. 126
Das Quotenvorrecht steht dem Auftraggeber auch dann zu, wenn nach Kostenausgleichung kein Erstattungsanspruch mehr verbleibt. Dem Auftraggeber steht dann ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Versicherer zu.
Rz. 127
Stattdessen kann die Partei aber auch die getrennte Kostenfestsetzung wählen. Sie ist nicht verpflichtet, an der Kostenausgleichung nach § 106 ZPO teilzunehmen.
Rz. 128
Ausnahmsweise ist der Rechtsschutzversicherer entgegen den ARB zur Übernahme von Reisekosten verpflichtet, wenn er eine vorbehaltslose Deckungsschutzzusage gibt, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits ersichtlich ist, dass das Verfahren vor einem auswärtigen Gericht stattfinden wird.