Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Besondere Angelegenheiten
Rz. 25
Jedes Beschwerdeverfahren in Angelegenheiten nach VV Teil 3 gilt als eigene Angelegenheit i.S.d. §§ 18 Abs. 1 Nr. 3, 17 Nr. 1 (Ausnahme § 16 Nr. 10). Das bedeutet, dass der Anwalt die Verfahrensgebühr nicht nur neben den Gebühren des Ausgangsverfahrens, also als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter neben der Verfahrensgebühr (VV 3100) erhält, sondern auch, dass er bei mehreren Beschwerden die Gebühren der VV 3500 ff. mehrmals erhält. Die Einschränkung nach § 16 Nr. 10 gilt nicht für alle Beschwerdeverfahren, sondern nur für Beschwerden in der Kostenfestsetzung (§§ 103 ff. ZPO) und gegen den Kostenansatz (z.B. § 66 GKG). Der Anwalt erhält daher insbesondere dann die Gebühren mehrmals, wenn innerhalb desselben Verfahrens mehrere Beschwerden gegen verschiedene Entscheidungen eingelegt werden.
Beispiel: Der Anwalt legt für seinen Mandanten zunächst Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss und später Beschwerde gegen die Einstellung der Vollstreckung ein.
Der Anwalt verdient die Gebühren der VV 3500, 3513 zweimal.
b) Beschwerde gegen Abhilfeentscheidung
Rz. 26
Die Gebühren nach VV 3500, 3513 entstehen auch dann mehrmals, wenn das Erstgericht einer einfachen Beschwerde abgeholfen hat und nunmehr die Gegenseite hiergegen Beschwerde einlegt. Es liegen dann zwei Beschwerdeverfahren vor, die jeweils die Vergütung nach VV 3500, 3513 auslösen.
c) Verfahren über die weitere Beschwerde
Rz. 27
Auch das Verfahren über die weitere Beschwerde ist eine zusätzliche Angelegenheit, in der die Gebühren nach §§ 18 Abs. 1 Nr. 3, 17 Nr. 1 erneut entstehen. Der Anwalt erhält also die Gebühren der VV 3500, 3513 sowohl für das Erstbeschwerdeverfahren als auch für das Verfahren über die weitere Beschwerde.
d) Rechtsbeschwerdeverfahren
Rz. 28
Die Rechtsbeschwerde, z.B. nach §§ 574 ZPO, stellt zwar ebenfalls gem. § 17 Nr. 1 eine eigene Angelegenheit dar; für sie ist aber ein gesonderter Gebührentatbestand vorgesehen (VV 3502, 3503).
e) Nichtzulassungsbeschwerde
Rz. 29
Auch die Beschwerden gegen die Nichtzulassung von Berufung, Revision und Rechtsbeschwerde sind zwar gem. § 17 Nr. 1, Nr. 9 eigene Angelegenheiten; für sie sind aber gesonderte Gebührentatbestände vorgesehen (VV 3504 ff.).
f) Mehrere Beschwerden gegen dieselbe Entscheidung
Rz. 30
Lediglich eine einzige Angelegenheit liegt dagegen vor, wenn mehrere Beschwerden gegen dieselbe Entscheidung erhoben werden. Die Werte der einzelnen Beschwerdegegenstände werden dann zusammengerechnet (§§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 2 GKG).
Beispiel: Das Gericht hat die Kosten des Verfahrens (insgesamt 800 EUR) nach § 91a ZPO gegeneinander aufgehoben. Der Kläger legt Beschwerde ein, da nach seiner Auffassung der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Der Beklagte wiederum legt ebenfalls Beschwerde ein, da er der Auffassung ist, der Kläger müsse die Kosten tragen.
Es liegt nur eine Angelegenheit vor. Beide Anwälte erhalten die Gebühren der VV 3500 nur einmal. Maßgebend ist nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m § 45 Abs. 2 GKG allerdings der Gesamtwert von (400 EUR + 400 EUR =) 800 EUR.
g) Zurückverweisung
Rz. 31
Auch im Fall einer Zurückverweisung können mehrere Beschwerdegebühren anfallen, wenn gegen die erneute Entscheidung wiederum Beschwerde eingelegt wird.
Beispiel: Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG lässt der Kläger durch seinen Anwalt Beschwerde einlegen. Das LG hebt den Festsetzungsbeschluss auf und weist die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG zurück, das erneut entscheidet. Gegen die erneute Festsetzung legt der Anwalt wiederum Beschwerde für seinen Mandanten ein.
Für die erste Beschwerde erhält der Anwalt die Vergütung aus VV 3500. Für das erneute Festsetzungsverfahren vor dem AG gilt § 21 Abs. 1: Der Anwalt, der jetzt nur noch mit der Kostenfestsetzung beauftragt ist, erhält eine weitere Gebühr nach VV 3403 (Einzeltätigkeit), allerdings mit der Maßgabe der Anrechnung nach VV Vorb. 3 Abs. 6. Für das Beschwerdeverfahren erhält er die Gebühren nach VV 3500 wieder erneut, da es sich um ein erneutes Rechtsmittel handelt (§ 17 Nr. 1).
h) Nichtabhilfeentscheidung
Rz. 32
Etwas anderes gilt dagegen, wenn nur die Nichtabhilfeentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Abhilfeentscheidung zurückgegeben wird. In diesem Fall liegt nur ein einziges Beschwerdeverfahren vor.