I. Überblick
Rz. 1
VV Vorb. 4 enthält in ihren fünf Absätzen allgemeine Regelungen, die für sämtliche Gebühren nach VV Teil 4 gelten, soweit in den einzelnen Abschnitten nichts Abweichendes bestimmt ist. Zum Teil sind hier auch Vorschriften übernommen worden, die bereits in der BRAGO enthalten waren; zum Teil finden sich aber auch – aufgrund des neuen Gebührensystems – neue Regelungen, die in der BRAGO keine Entsprechung hatten. Ältere Rechtsprechung ist daher nur eingeschränkt zu verwerten.
II. Persönlicher Anwendungsbereich (Abs. 1)
Rz. 2
Der persönliche Anwendungsbereich der Gebühren nach VV Teil 4 ist in Abs. 1 geregelt. Die Vorschriften gelten unmittelbar für den Verteidiger, also für den Wahlverteidiger und den Pflichtverteidiger bzw. bei Einzeltätigkeiten für den Vertreter des Beschuldigten bzw. den ihm gerichtlich bestellten oder beigeordneten Anwalt. Daneben erklärt Abs. 1 die Vorschrift für entsprechend anwendbar für die Tätigkeit als Beistand oder Vertreter eines Privatklägers, eines Nebenklägers, eines Einziehungs- oder Nebenbeteiligten, eines Verletzten, eines Zeugen oder eines Sachverständigen.
Rz. 3
Darüber hinaus werden die Gebühren des Verteidigers auch im Verfahren nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz für entsprechend anwendbar erklärt.
Rz. 4
Diese Regelung entspricht im Wesentlichen den früheren Vorschriften in der BRAGO. Entsprechende Verweisungen enthielten die §§ 94, 95, 96, 96b und 102 BRAGO. Klargestellt ist jetzt, dass der Beistand des Zeugen oder Sachverständigen ebenfalls abrechnet wie ein Verteidiger. Die Abrechnung in diesen Fällen war bislang sehr umstritten, ist es allerdings trotz der eindeutigen Regelung nach wie vor.
III. Verfahrensgebühr (Abs. 2)
Rz. 5
Eine Verfahrensgebühr kannte die BRAGO nicht, so dass es keinen unmittelbaren Vorgänger dieser Vorschrift gibt. Entsprechendes galt allerdings für die Gebühren nach §§ 83 ff. BRAGO. Auch dort entstand die jeweilige Gebühr bereits mit der Entgegennahme der Information.
Rz. 6
Die hier in Abs. 2 eingeführte Vorschrift orientiert sich an VV Vorb. 3 Abs. 2, also an der Verfahrensgebühr in Verfahren nach VV Teil 3, so dass auch auf die dortige Kommentierung zurückgegriffen werden kann. Für Strafsachen gilt jetzt ebenfalls, dass die jeweilige Verfahrensgebühr mit der ersten Tätigkeit anfällt, also in der Regel mit der Entgegennahme der Information, und dass sie insbesondere das Betreiben des Geschäfts abgilt.
Rz. 7
Vorgesehen ist eine
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allgemeine Verfahrensgebühr für die Verteidigung bzw. anderweitige Vertretung sowie |
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besondere Verfahrensgebühren für
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die Tätigkeit hinsichtlich Einziehung und verwandter Maßnahmen (VV 4142) |
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sowie hinsichtlich der Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche (VV 4143, 4144). |
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Daneben regelt VV 4145 eine Verfahrensgebühr für bestimmte Beschwerdeverfahren, die als eigene Angelegenheiten gesondert abzurechnen sind. |
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IV. Terminsgebühr (Abs. 3)
Rz. 8
Anstelle der früheren verschiedenen Hauptverhandlungsgebühren sieht das Vergütungsverzeichnis in VV Teil 4 nur noch eine einheitliche Terminsgebühr vor. Es wird also nicht unterschieden zwischen einem ersten Termin, einem Fortsetzungstermin und einem erneuten ersten Termin. Für alle Hauptverhandlungstermine gilt grundsätzlich derselbe Gebührentatbestand.
Rz. 9
Hinzu kommt eine Gebühr für Termine außerhalb der Hauptverhandlung (VV 4102). Nach der BRAGO waren solche Termine durch die jeweiligen Gebühren nach den §§ 83 ff. BRAGO abgegolten.
Rz. 10
Es ist also bei den Terminsgebühren zweispurig zu verfahren. Zum einen entstehen durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung die in den einzelnen Verfahrensabschnitten vorgesehenen Terminsgebühren. Für sonstige Termine außerhalb der Hauptverhandlung gilt in den einzelnen Verfahrensabschnitten jeweils die allgemeine Gebühr nach VV 4102, die je Verfahrensabschnitt bis zu drei Termine abgilt (Anm. zu VV 4102).
Rz. 11
Mit dem RVG neu eingeführt worden ist die Vorschrift in Abs. 3 S. 2, wonach der Verteidiger auch bei einem ausgefallenen Termin eine Terminsgebühr erhält, sofern er den Ausfall des Termins nicht zu vertreten hat und ihm der Ausfall des Termins auch nicht bekannt war.
V. Haftzuschlag (Abs. 4)
Rz. 12
Die Regelung in Abs. 4 entspricht dem früheren § 83 Abs. 3 BRAGO. Hier hat sich allerdings eine wesentliche Änderung ergeben. Nach § 83 Abs. 3 BRAGO musste zunächst einmal aufgrund der allgemeinen Kriterien die Höchstgebühr erreicht sein. Erst dann durfte der Höchstbetrag um bis zu 25 % überschritten werden. Nach dem RVG ist für sämtliche Gebühren, bei denen der Haftzuschlag zu berücksichtigen ist, also in dem Fall, dass sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet, ein gesonderter Gebührenrahmen vorgesehen. Dem Anwalt steht in diesen Fällen von vornherein ein erhöhter Gebührenrahmen zu. Es kommt jetzt nicht mehr darauf an, ob es sich im Einzelfall bemerkbar macht, dass sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet. Dies ist allenfalls bei der Gebührenbemessung nach § 14 Abs. 1 zu berücksichtigen.
VI. Erinnerung und Beschwerde gegen den Kostenansatz und die Kostenfestsetzung (Abs. 5 Nr. 1)
Rz. 13
Soweit gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse oder gegen den Kostenansatz Erinnerung geführt oder Beschwerde eingelegt wird, gelten auch in Strafs...