1. Rechtsschutz nach den ARB
a) Überblick
Rz. 132
Auch in Strafsachen besteht grundsätzlich Rechtsschutz nach den ARB. Für die Kosten der Verteidigung greift dieser allerdings nur, wenn dem Versicherungsnehmer ein Vergehen vorgeworfen wird; bei dem Vorwurf eines Verbrechens ist Versicherungsschutz ausgeschlossen (§ 4 Abs. 3 ARB 1975; § 2i ARB 1994/2000). Eine Prüfung der Erfolgsaussichten ist beim Verteidigungs-Strafrechtsschutz nicht vorzunehmen, so dass auch bei "aussichtslosen" Verteidigungen Deckungsschutz besteht, solange der Versicherungsnehmer nicht mutwillig handelt (§ 1 ARB 1975; die ARB 1994/2000 sprechen in § 1 nur noch davon, dass die Kosten erforderlich sein müssen).
Rz. 133
Bei Selbstvertretung steht dem Anwalt kein Versicherungsschutz zu. Die Rechtsprechung des BGH zur Selbstvertretung in Zivilsachen ist auf Strafsachen nicht übertragbar, da hier eine Selbstvertretung prozessual ausgeschlossen ist.
b) Ausschluss bei Vorsatztaten
aa) Allgemeines
Rz. 134
Zu beachten ist, dass bei Vorsatztaten der Versicherungsschutz nur eingeschränkt besteht. Es ist danach zu differenzieren, ob dem Versicherungsnehmer ein "verkehrsrechtliches Vergehen" oder ein "sonstiges Vergehen" vorgeworfen wird.
bb) Verkehrsrechtliche Vergehen
Rz. 135
Bei verkehrsrechtlichen Vergehen besteht nach § 4 Abs. 3b ARB 1975 bzw. § 2i aa ARB 1994/2000 grundsätzlich Versicherungsschutz. Erst dann, wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass der Versicherungsnehmer das Vergehen vorsätzlich begangen hat, entfällt der Versicherungsschutz. Eventuell gezahlte Kosten hat der Versicherungsnehmer dann zurückzuzahlen. Aufgrund dieser versicherungsvertraglichen Konstruktion empfiehlt es sich für den Verteidiger, in solchen Sachen rechtzeitig dafür zu sorgen, dass seine Vergütung durch einen hinreichenden Vorschuss abgedeckt ist. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung schuldet der Versicherer die Freistellung von Vorschüssen. Nach rechtskräftiger Verurteilung können Zahlungen nicht mehr verlangt werden. Andererseits schuldet nicht der Verteidiger, sondern der Versicherungsnehmer die Rückzahlung bereits empfangener Vorschüsse.
cc) Sonstige Vergehen
Rz. 136
Wegen sonstiger Vergehen besteht immer dann Versicherungsschutz, wenn die Vergehen nur fahrlässig begehbar sind. Für Vergehen, die nur vorsätzlich begangen werden können, besteht niemals Versicherungsschutz. Soweit sowohl fahrlässige als auch vorsätzliche Begehung möglich ist (z.B. Trunkenheit, Körperverletzung), besteht so lange Versicherungsschutz, als ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. Soweit dagegen vorsätzliche Begehung vorgeworfen wird, ist Versicherungsschutz ausgeschlossen (§ 4 Abs. 3a ARB 1975 bzw. § 2i bb ARB 1994/2000); der Versicherungsschutz entsteht aber rückwirkend, wenn es nicht zu einer Verurteilung wegen Vorsatz kommt, also z.B. auch bei einer Einstellung nach § 153a StPO.
c) Ausschluss bei fehlender Fahrerlaubnis, Berechtigung, Zulassung oder fehlendem Versicherungskennzeichen
Rz. 137
In verkehrsrechtlichen Straftaten ist der Versicherungsschutz darüber hinaus ausgeschlossen, wenn
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der Fahrer bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht die vorgeschriebene Fahrerlaubnis hatte |
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der Fahrer zum Führen des Fahrzeugs nicht berechtigt |
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das Fahrzeug nicht zugelassen oder |
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das Fahrzeug nicht mit einem Versicherungskennzeichen versehen |
war; hier besteht Versicherungsschutz nur für solche Personen, die von der Nichtberechtigung zum Führen des Fahrzeugs oder von dem Fehlen der Zulassung oder des Versicherungskennzeichens ohne Verschulden keine Kenntnis hatten (z.B. §§ 21 Abs. 6, 22 Abs. 5, 26 Abs. 6 ARB 1975 bzw. §§ 21 Abs. 8, 2 Abs. 5, 28 Abs. 6 ARB 1994/2000). Im Gegensatz zum Vorsatzausschluss (vgl. Rdn 136) handelt es sich hier um eine Obliegenheitsverletzung. Das bedeutet, dass der Verstoß kausal für den Rechtsschutzfall sein muss. Auch hier ist allerdings zu differenzieren:
Rz. 138
Soweit dem Versicherungsnehmer selbst die Obliegenheitsverletzung vorgeworfen wird, muss der Versicherer innerhalb eines Monats nach Kenntnis den Rechtsschutzversicherungsvertrag kündigen (§ 6 Abs. 1 S. 1 VVG). Andernfalls muss er Deckungsschutz übernehmen.
Rz. 139
Hat eine mitversicherte Person, die nicht Repräsentant ist, gegen die genannten Obliegenheiten verstoßen, kann sich der Rechtsschutzversicherer jederzeit auf seine Leistungsfreiheit berufen. Da die Obliegenheitsverletzung durch eine mitversicherte Person nicht zur Kündigung berechtigt, gilt insoweit § 6 Abs. 1 S. 1 VVG nicht.
2. Rechtsschutz nach den AHB
Rz. 140
Ausnahmsweise kann für die Verteidigung in einer Strafsache auch Versicherungsschutz durch den Haftpflichtversicherer gewährt werden (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 AHB; § 150 Abs. 1 S. 3 VVG). Für die Kosten einer Nebenklage hat ein Haftpflichtversicherer nicht einzustehen.