I. Persönlicher Anwendungsbereich
Rz. 6
Die Vorschriften der VV 4136 ff. sind nicht auf den Verteidiger beschränkt, sondern gelten für jeden Anwalt, der einen Beteiligten im Wiederaufnahmeverfahren vertritt, also:
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für den Verteidiger des Angeklagten,
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wenn er mit der Stellung des Wiederaufnahmeantrags nach § 359 StPO oder nach § 406c Abs. 1 StPO beauftragt ist; |
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wenn die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Wiederaufnahme zugunsten des Angeklagten gestellt hat, der Anwalt den Angeklagten in diesem Verfahren vertritt und den Antrag der Staatsanwaltschaft unterstützt; |
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wenn die Staatsanwaltschaft nach § 362 StPO oder ein Privatkläger (§ 390 Abs. 1 S. 2 StPO) zu Ungunsten des Angeklagten die Wiederaufnahme betreibt; |
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wenn der Antragsteller des Adhäsionsverfahrens die Wiederaufnahme zum Zwecke der Abänderung der Entscheidung über den vermögensrechtlichen Anspruch betreibt; |
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für den Vertreter der Hinterbliebenen des Angeklagten, die nach § 361 Abs. 2 StPO die Wiederaufnahme betreiben oder sich am Wiederaufnahmeverfahren der Staatsanwaltschaft beteiligen; |
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für den Pflichtverteidiger, da die Gebührentatbestände der VV 4136 ff. ausdrücklich auch Gebühren für den beigeordneten oder bestellten Anwalt vorsehen (zu den Voraussetzungen im Einzelnen siehe Rdn 65 ff.); |
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für den Vertreter des Privatklägers, der nach § 390 Abs. 1 S. 2 StPO die Wiederaufnahme betreibt; |
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für den Anwalt des Antragstellers im Adhäsionsverfahren, der die Wiederaufnahme zum Zwecke der Abänderung der Entscheidung über den vermögensrechtlichen Anspruch betreibt, |
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für den Anwalt als Zeugenbeistand. |
Rz. 7
Für den Vertreter eines Nebenklägers können die VV 4136 ff. dagegen nicht zur Anwendung kommen, da der Nebenkläger nach der derzeitigen Fassung der StPO in seiner Eigenschaft als solcher weder einen Wiederaufnahmeantrag stellen noch sich dem Wiederaufnahmeantrag eines anderen anschließen kann. Nur dann, wenn der Nebenkläger im vorangegangenen Verfahren auch vermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht hatte und er nunmehr zum Zwecke der Abänderung der Entscheidung über die vermögensrechtlichen Ansprüche die Wiederaufnahme betreibt (vgl. Rdn 4), sind die VV 4136 ff. anwendbar.
Rz. 8
Nach Wiederaufnahme kann sich der Nebenkläger allerdings wieder am Verfahren beteiligen. Insoweit erhält der Vertreter des Nebenklägers dann für das Verfahren nach Wiederaufnahme die Gebühren aus Unterabschnitt 3 erneut.
II. Umfang der Angelegenheit, Abgeltungsbereich der Gebühren
Rz. 9
Das Wiederaufnahmeverfahren gliedert sich in mehrere Verfahrensabschnitte, die jeweils eigene Gebührenangelegenheiten i.S.d. § 15 Abs. 1 darstellen und für die jeweils eine gesonderte Vergütung vorgesehen ist. Es handelt sich um
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das Verfahren auf Vorbereitung eines Antrags (VV 4136), |
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das Verfahren über die Zulässigkeit des Antrags (VV 4137), |
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das weitere Verfahren (VV 4138), |
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das Beschwerdeverfahren nach § 372 StPO (VV 4139). |
Rz. 10
Auch bei den Gebühren der VV 4136 ff. handelt es sich um Verfahrenspauschgebühren; die Vorschrift des § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 gilt auch hier.
Rz. 11
Die Gebühren entstehen mit der ersten Tätigkeit nach Erteilung des Auftrags zur Vertretung im Wiederaufnahmeverfahren, also in der Regel mit der Entgegennahme der Information (VV Vorb. 4 Abs. 2).
Rz. 12
Durch die Gebühren nach den VV 4136 ff. i.V.m. VV 4106 ff. wird die gesamte Tätigkeit im Wiederaufnahmeverfahren abgegolten, einschließlich der Vorbereitung des Antrags, der Stellung eines solchen Antrags und der Vertretung im Verfahren nebst der Beweisaufnahme (§ 369 StPO).
Rz. 13
Die Gebühr nach VV 4136 i.V.m. VV 4106 ff. fällt auch dann an, wenn der Anwalt von der Stellung des Wiederaufnahmeantrags abrät (Anm. zu VV 4136). Es ist nicht erforderlich, dass er den Antrag auf Wiederaufnahme stellt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Anwalt bereits mit der Vertretung im Wiederaufnahmeverfahren beauftragt worden war. Ist das nicht der Fall, sondern soll er erst darüber beraten, ob ein Wiederaufnahmeverfahren Aussicht auf Erfolg hat und ob der Auftraggeber einen entsprechenden Auftrag erteilen soll, so gilt für die Beratungstätigkeit § 34 Abs. 1 i.V.m. § 612 BGB, es sei denn, es ist eine Gebührenvereinbarung geschlossen.
Rz. 14
Das Wiederaufnahmeverfahren dauert fort bis zum rechtskräftigen Abschluss, also bis zur Verwerfung des Antrags wegen Unzulässigkeit (§ 368 Abs. 1 StPO) oder wegen Unbegründetheit (§ 370 Abs. 1 StPO) oder mit der Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 370 Abs. 2 StPO).
Rz. 15
Für die Tätigkeit in einem Beschwerdeverfahren nach § 372 StPO erhält der Anwalt eine weitere Verfahrensgebühr (VV 4139). Beschwerdeverfahren lösen in Strafsachen ansonsten keine gesonderten Gebühren aus, sondern sind durch die jeweiligen Pauschgebühren mit abgegolten (siehe VV Vorb. 4.1 Rdn 4 ff.). Insoweit gilt hier jedoch eine gesetzlich geregelte Ausnahme (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a).