Rz. 58
Nicht anzurechnen ist die Auslagenpauschale nach VV 7002. Denn in VV 3305 ist lediglich davon die Rede, dass die Gebühr anzurechnen ist. Bei der Auslagenpauschale handelt es sich aber gerade nicht um eine solche. Dies ergibt sich auch eindeutig aus dem Gesetz. Denn § 1 Abs. 1 S. 1 trennt hinsichtlich der anwaltlichen Vergütung zwischen Gebühren und Auslagen. Zudem fehlt es an einer gesetzlichen Anrechnungsvorschrift. Zudem stellen Mahn- und streitiges Verfahren unterschiedliche gebührenrechtliche Angelegenheiten dar (§ 17 Nr. 2).
Rz. 59
Darüber hinaus tritt die Auslagenpauschale aufgrund des anwaltlichen Wahlrechts an die Stelle der tatsächlich entstandenen Auslagen (vgl. Anm. zu VV 7002). Insofern ist es dem Anwalt unbenommen, auch die tatsächlich angefallenen Auslagen abzurechnen. In einem solchen Fall würde allerdings niemand auf die Idee kommen, diese in Folge einer Anrechnung dem Rechtsanwalt nicht zu gewähren.
Sind in solchen Anrechnungsfällen also mehrere Pauschalen entstanden, so stellt sich die Frage, wie sich die Gebührenanrechnung auf die Höhe der Pauschale auswirkt.
Rz. 60
Nach einem Teil der Rechtsprechung und Literatur soll die Auslagenpauschale nur aus dem Gebührenaufkommen nach Anrechnung ermittelt werden.
Beispiel: Der Anwalt ist beauftragt, außergerichtlich eine Forderung in Höhe von 1.000 EUR beizutreiben. Da der Schuldner nicht zahlt, erwirkt er auftragsgemäß einen Vollstreckungsbescheid.
I. Außergerichtliche Tätigkeit:
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
|
114,40 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
134,40 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
25,53 EUR |
Gesamt |
|
159,93 EUR |
II. Mahnverfahren:
1. |
1,0-Mahnverfahrensgebühr, VV 3305 |
|
88,00 EUR |
2. |
0,5-Vollstreckungsbescheidverfahrensgebühr, VV 3308 |
|
44,00 EUR |
3. |
gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,65-Gebühr |
|
– 57,20 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 (20 % aus 74,80 EUR) |
|
14,96 EUR |
|
Zwischensumme |
89,76 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
17,05 EUR |
Gesamt |
|
106,81 EUR |
Rz. 61
Diese Berechnung ist unzutreffend. Nach dem eindeutigen Wortlaut der VV 7002 richtet sich die Auslagenpauschale nach den (gesetzlichen) Gebühren und nicht nach denjenigen Gebühren, die nach Anrechnung verbleiben. Derjenige Betrag, der nach Anrechnung verbleibt, ist lediglich eine Berechnungsgröße. Die anzurechnenden Gebühren und die Gebühren, auf die anzurechnen ist, bleiben trotz der Anrechnung bestehen und behalten ihre Eigenständigkeit.
Rz. 62
Die Auslagenpauschale ist daher nach zutreffender Ansicht aus dem gesamten Gebührenaufkommen vor Anrechnung zu ermitteln. Im vorangegangenen Beispiel ändert sich für die vorgerichtlichen Kosten nichts; für die Tätigkeit im Mahnverfahren ist dagegen wie folgt zu rechnen:
Mahnverfahren:
1. |
1,0-Mahnverfahrensgebühr, VV 3305 |
|
88,00 EUR |
2. |
0,5-Vollstreckungsbescheidverfahrensgebühr, VV 3308 |
|
44,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 VV (max. 20 %) |
|
20,00 EUR |
4. |
gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,65-Gebühr |
|
– 57,20 EUR |
|
Zwischensumme |
94,80 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
18,01 EUR |
Gesamt |
|
112,81 EUR |
Rz. 63
Diese Berechnung gilt auch dann, wenn aufgrund der Anrechnung in der nachfolgenden Angelegenheit letztlich überhaupt keine Gebühren verbleiben, die der Anwalt noch verlangen kann:
Beispiel: Der Anwalt hat wegen eines Betrages i.H.v. 5.000 EUR das Mahnverfahren durchgeführt. Anschließend kommt es zum Rechtsstreit, der sich jedoch vorzeitig erledigt.
I. Mahnverfahren
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, VV 3305 |
|
334,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
354,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
67,26 EUR |
Gesamt |
|
421,26 EUR |
II. Rechtsstreit
1. |
0,8-Verfahrensgebühr, VV 3101 Nr. 1 |
|
267,20 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
3. |
gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen |
|
– 276,20 EUR |
|
Zwischensumme |
20,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
3,80 EUR |
Gesamt |
|
23,80 EUR |
Rz. 64
Der Anwalt kann also auch hier die volle Auslagenpauschale einfordern, obwohl ihm für den Rechtsstreit letztlich keine zusätzlichen Gebühren mehr zustehen.