3.1.1 Allgemeines
Gemäß § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen über. Das Gesetz stellt damit die Erbschaft mit dem Vermögen des Erblassers gleich und bestimmt zugleich den Übergang des Vermögens als Ganzes, d. h. im Wege der Gesamtrechtsfolge, auf den oder die Erben.
Der Zweck der Gesamtrechtsfolge ist es, den Nachlass zunächst als Einheit zu erhalten, auch wenn mehrere Erben berufen sind. Bei Erbenmehrheit erlangt der einzelne Miterbe einen Anteil am Nachlass insgesamt. § 1922 Abs. 2 BGB nennt diesen Anteil an der Vermögensgesamtheit den Erbteil.
Ob zu dem Vermögen nur die Rechte des Erblassers oder auch dessen Verbindlichkeiten zu zählen sind, ist seit langem umstritten. Unmittelbare praktische Konsequenzen hat dieser Streit nicht. Denn der Übergang der Verbindlichkeiten auf den Erben geht jedenfalls aus § 1967 Abs. 2 BGB klar hervor.
Als Erbschaft i. S. d. Gesetzes ist damit die Gesamtheit aller vererbbaren Rechtsverhältnisse jeweils mit Einschluss der Verbindlichkeiten zu verstehen. An vielen Stellen spricht das Gesetz nicht von der Erbschaft, sondern vom Nachlass, ohne dass darin ein begrifflicher Unterschied zu sehen ist.
Im Folgenden wird zunächst ein kurzer Überblick über die zur Berechnung von Pflichtteilsansprüchen notwendige Feststellung des Nachlassbestandes gegeben (§§ 1922, 2311 BGB). Im Übrigen soll vertiefend auf einige familienrechtliche Besonderheiten bei der Feststellung des Bestandes des Nachlasses eingegangen werden.
3.1.2 Wert des Nachlasses
Die Höhe des Nachlasswertes ist in den §§ 2311 – 2313 BGB geregelt. Zunächst müssen sämtliche Aktiv- und Passivposten des Erblasservermögens ermittelt werden. Der für die Ermittlung maßgebende Zeitpunkt ist der Erbfall, § 2311 BGB (Stichtagsprinzip). Der Ermittlung des Nachlassbestands dient der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Auskunft und auf Erstellung eines Verzeichnisses der Nachlassgegenstände gem. § 2314 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB. Die ermittelte Summe des Aktivbestands ist sodann um den Betrag der Passiva zu kürzen.
3.1.3 Bankkonten
3.1.3.1 Gemeinschaftliche Konten und Depots
Gemeinschaftskonten sind Eigenkonten, die mehreren Personen gemeinschaftlich zustehen. Zu unterscheiden sind "Oder-" und "Und-Konten". Bei "Oder-Konten" sind alle Inhaber berechtigt, ohne Mitwirkung der anderen über das Konto zu verfügen. Als "Und-Konten" werden solche Bankkonten bezeichnet, für die vereinbart ist, dass mehrere Inhaber nur gemeinschaftlich berechtigt sind, über das jeweilige Guthaben zu verfügen.
Bei gemeinschaftlichen Bankkonten ist demnach maßgeblich auf das Innenverhältnis abzustellen. Die Bezeichnung als "Und-" oder "Oder-Konto" wirkt im Außenverhältnis gegenüber der Bank, hat aber mit der tatsächlichen – internen – Berechtigung an den Einlagen nichts zu tun.
Die Inhaber eines "Oder-Bankkontos" sind bei kreditorischem Kontostand (Guthaben) Gesamtgläubiger i. S. d. § 428 BGB. Jedoch steht es abweichend von § 428 BGB nicht im Belieben des Kreditinstituts, an wen es leistet; vielmehr hat die Bank an denjenigen Kontoinhaber zu leisten, der die Leistung jeweils fordert. Bei einem debitorischen Kontostand (§ 488 BGB) werden die Kontoinhaber als Gesamtschuldner verpflichtet, § 421 BGB.
Grundsätzlich wird bei Ehegatten ebenso wie bei Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft davon ausgegangen, dass sie entsprechend der Vermutungswirkung des § 430 BGB zu gleichen Teilen an den Einlagen berechtigt sind. Diese Vermutung besteht sogar nach Trennung oder rechtskräftiger Scheidung der Eheleute fort, selbst dann, wenn sich ein Ehegatte nicht mehr aktiv an den Bankgeschäften das Konto betreffend beteiligt hat.
Etwas anderes gilt bei gemeinschaftlichen Wertdepots:
Nach dem Prinzip der Rechtserhaltung der bisherigen Eigentümer der hinterlegten Wertpapiere bleiben die bisherigen Eigentümer weiterhin dinglich Berechtigte. Daher nimmt die Rechtsprechung an, dass bei Oder-Depots nicht ohne weiteres nach § 430 BGB ein Anspruch auf hälftige Beteiligung an dem Wertpapieren besteht.§ 430 BGB sei nur für die Rechte aus dem Verwahrungsvertrag von Bedeutung. Depotinhaberschaft sage nichts über das Eigentum an den verwahrten Wertpapieren aus, zumal es eine Gesamtgläubigerschaft bei Wertpapieren nicht gebe.
Stattdessen nimmt die Rechtsprechung nur eine schwach ausprägte Auslegungsregel für Miteigentum an. Sie geht davon aus, dass die Anlage eines Oder-Depots noch keine Aussage über das Eigentum erlaube. Dies könne auch lediglich zur Einräumung einer Verfügungsbefugnis geschehen sein. Damit bürdet die Rechtsprechung bei Oder-Depots die Beweislast dem anspruchstellenden Teil auf. Dabei soll mit einem Kriterienkatalog, der unter anderem auf die Mittelherkunft, den Verwendungszweck und den sonstigen Umgang der Ehegatten mit ihrem Vermögen abstellt, die Prüfung der Eigentumslage erleichtert werden.
In Anbetracht der Tatsache, dass es häufig vom Zufall abhängt, ob Ehegatten nach entsprechender Beratung der Bank Guthaben in Form von Gemeinschaftskonten oder Wertpapiere in ...