4.1 Verwandtschaft
Der Rechtsbegriff Verwandtschaft ist maßgebliche Voraussetzung für das gesetzliche Erbrecht nach §§ 1924 bis 1930 BGB. Er ist definiert in § 1589 BGB. Nur wer in diesem Sinne mit dem Erblasser verwandt ist, kommt als gesetzlicher Erbe nach einer der Erbordnungen in Frage.
Dabei ist der Verwandtschaftsbegriff in § 1589 BGB von der Überschrift des zweiten Abschnitt s zu unterscheiden, der auch als Verwandtschaft im weiteren Sinne bezeichnet wird. Darunter fallen die Blutsverwandtschaft, die Schwägerschaft (§ 1590 BGB) und die Adoption (§§ 1741 – 1772 BGB).
Umgangspraktische Begriffe wie "Onkel", "Tante", "Cousine", "Vetter" usw. sind der Rechtssprache unbekannt. In erbrechtlichen Zusammenhängen sind diese Personen nur dann mit dem Erblasser verwandt, wenn die in § 1589 BGB normierten Voraussetzungen vorliegen. Somit scheiden alle Personen, die mit dem Erblasser lediglich verschwägert sind (§ 1590 BGB) von vornherein von der gesetzlichen Erbfolge aus.
Zentrales Tatbestandsmerkmal zur Begründung der Verwandtschaft ist die Abstammung. Im rechtlichen Sinne ist dies die durch die Geburt eines Kindes vermittelte statusrechtliche Zuordnung seiner Herkunft von einer bestimmten Frau als Mutter und von einem bestimmten Mann als Vater (Blutsverwandtschaft).
Verwandtschaft gibt es in zwei Tatbestandsvarianten: Verwandtschaft in gerader Linie bei unmittelbarer oder mittelbarer Abstammung voneinander, Verwandtschaft in ungerader Linie bei gemeinsamer Abstammung von einer dritten Person (§ 1589 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten (§ 1589 Abs. 1 Satz 3 BGB).
4.2 Abstammung
4.2.1 Bedeutung
Die gesetzlichen Regelungen zur Abstammung haben grundsätzlich die Feststellung der biologischen Herkunft zum Ziel, bezwecken aber auch Rechtsklarheit für die Allgemeinheit und Rechtssicherheit für die beteiligten Personen. Das hat zur Folge, dass im Einzelfall genetische Herkunft und rechtliche Abstammung auseinander fallen können.
Für den Rechtsverkehr und damit für das gesetzliche Erbrecht maßgeblich ist jedoch allein die Abstammung im Rechtssinne. Zur Mutterschaft ergibt sich dies aus der in § 1591 BGB enthaltenen Grundaussage, dass (nur) die Frau, die das Kind geboren hat, Mutter ist. Zur Vaterschaft resultiert dies aus den in § 1594 Abs. 1, § 1600d Abs. 4 BGB geregelten Rechtsausübungssperren: Die Rechtswirkungen der Vaterschaft können danach erst dann geltend gemacht werden, wenn sie nach einem der in § 1592 BGB abschließend aufgezählten Tatbestände feststeht.
4.2.2 Mutterschaft
Mutter eines Kindes ist stets nur die Frau, die das Kind geboren hat (§ 1591 BGB). Mit dieser gesetzlichen Festlegung auf die gebärende Frau scheidet jede andere Frau, die in irgendeiner Form an der Entstehung des Kindes beteiligt ist, als Mutter im Rechtssinne aus. Dies gilt für alle Spielarten der Ersatz- oder Leihmutterschaft, die vom Gesetz (§ 13a AdVermiG – Adoptionsvermittlungsgesetz) unter dem weiten Begriff "Ersatzmutterschaft" zusammengefasst sind. § 1591 BGB durchbricht insoweit § 1589 BGB, der auf die genetische Abstammung abstellt.
Für die Mutterschaft der gebärenden Frau ist ohne Bedeutung, ob sie verheiratet ist oder nicht. Unerheblich ist auch, ob die Mutter geschäftsfähig ist oder ob die Mutter in der Lage ist, das Kind zu betreuen.
Die Norm des § 1591 BGB ist zwingend; ihr Regelungsgehalt unterliegt keiner privaten Disposition. Ein Vertrag, der abweichende Vereinbarungen, z. B. zur verboten Leihmutterschaft, enthält, ist nichtig.
Die Feststellung der Mutterschaft einer bestimmten Frau bedarf keines besonderen Verfahrens. Aufgrund der Geburtsanzeige trägt der Standesbeamte nach § 21 PStG den Vor- und Nachnamen der Mutter in das Geburtenbuch ein. Die Eintragung und die aufgrund des Geburtenregisters ausgestellten Geburts- und Abstammungsurkunden haben gem. § 54 PStG Beweiskraft, wobei der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen zulässig ist (widerlegbare Vermutung).
4.2.3 Abstammung vom Vater
Die Abstammung eines Kindes vom Vater kann nach § 1592 begründet werden:
- durch bestehende Ehe mit der Mutter des Kindes,
- durch Anerkennung der Vaterschaft,
- durch gerichtliche Feststellung der Vaterschaft.
Gemeinsam ist diesen Tatbestandsalternativen, dass bei Vorliegen ihrer jeweiligen Einzelvoraussetzung die Vaterschaft ohne weitere Formalakte feststeht. Die Eintragung des Vaters im Geburtenregister hat lediglich deklaratorischen Charakter.
4.2.3.1 Gesetzliche Vaterschaft kraft Ehe
Gemäß § 1592 Abs. 1 BGB ist Vater der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist. Für den Fall, dass dieser vor der Geburt des Kindes verstorben ist, legt § 1593 BGB fest, dass im Regelfall auch eine Geburt innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod des Ehemanns die Abstammung von diesem begründet. Scheidung oder Aufhebung der Ehe nach der Geburt des Kindes ändern an der ehelichen Abstammung nichts.
Die Vaterschaft kraft Ehe besteht gem. § 1599 Abs. 1 BGB, solange nicht aufgrund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Ehemann nicht der Vater des Kindes ist. ...