1.1 Scheidung und gesetzliches Erbrecht
1.1.1 Gesetzliches Erbrecht bei bestehender Ehe
1.1.1.1 Erblasser mit Abkömmlingen
Hat ein verheirateter Erblasser keine letztwillige Verfügung errichtet, wird er von seinem Ehepartner und den Kindern beerbt. Die §§ 1922 ff. BGB regeln die Rechtsnachfolge in das Vermögen des Erblassers, wobei das Erbrecht auf dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge beruht.
Für Eheleute hängt die Erbquote gemäß der Vorschrift des § 1931 BGB in erster Linie vom ehelichen Güterstand ab, bei Gütertrennung auch von der Zahl der Kinder:
Ehegattenerbteil
Güterstand: |
neben 1 Kind |
neben 2 Kindern |
bei mehr als 2 Kindern |
Zugewinngemeinschaft |
¼ + ¼ = ½ |
¼ + ¼ = ½ |
¼ + ¼ = ½ |
Gütertrennung |
½ |
1/3 |
¼ |
Gütergemeinschaft |
¼ |
¼ |
¼ |
Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft erhält der überlebende Ehegatte neben den Verwandten der ersten Ordnung ein Viertel als gesetzlichen Erbteil gem. § 1931 Abs. 1 BGB und ein weiteres Viertel aus § 1371 Abs. 1, § 1931 Abs. 3 BGB.
Im Gegensatz dazu bestimmt sich die Höhe des Erbteils im Wahlgüterstand der Gütertrennung gem. § 1931 Abs. 4 BGB nach der Zahl der miterbenden Kinder. Voraussetzung ist, dass die Kinder als gesetzliche Erben berufen sind. Hat ein Kind die Erbschaft ausgeschlagen oder ist es durch Erbverzicht, Erbunwürdigkeit oder vorzeitigen Erbausgleich als gesetzlicher Erbe weggefallen, wird es für die Berechnung des Erbteils nicht mitgezählt.
Gemäß § 1931 Abs. 4 i. V. m. § 1924 Abs. 3 BGB treten an die Stelle eines vorverstorbenen Kindes dessen Abkömmlinge.
Im Güterstand der Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) bleibt es dagegen bei der Grundregel des § 1931 Abs. 1 BGB, wonach der Ehegatte ein Viertel des Nachlasses erhält. Zu beachten ist aber, dass bei der Gütergemeinschaft verschiedene Vermögensmassen bestehen. Am Gesamtgut sind beide Ehegatten wirtschaftlich zur Hälfte beteiligt, während das Sonder- und Vorbehaltsgut des Verstorbenen diesem allein zustand.
1.1.1.2 Erblasser ohne eigene Abkömmlinge
Bei kinderlosen Erblassern beträgt die Erbquote des überlebenden Ehegatten gem. § 1931 Abs. 1 BGB zunächst ½. Lebten die Ehegatten zum Zeitpunkt des Erbfalls im gesetzlichen Güterstand, erhöht sich dieser Erbteil gem. § 1931 Abs. 3 BGB i. V. m. § 1371 Abs. 1 BGB um ¼. Der restliche Nachlass fällt gem. § 1925 BGB an die Eltern des Erblassers bzw. im Fall des Vorversterbens an deren Abkömmlinge. Gemäß § 1925 Abs. 2 BGB erben die Eltern allein und zu gleichen Teilen. Es ist nicht erforderlich, dass sie in einer gültigen Ehe leben oder gelebt haben.
Sind Erben zweiter Ordnung nicht vorhanden, fällt der restliche Nachlass den Großeltern zu. Bei Vorversterben von Großelternteilen würden deren Erbteile gem. § 1926 BGB deren Abkömmlingen zufallen. Von dieser Regelung weicht der § 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB zugunsten des Ehepartners des Erblassers ab: Dieser erhält auch die Anteile, die nach § 1926 BGB den Abkömmlingen der Großeltern zufallen würden.
Nach § 1931 Abs. 2 BGB können weiter entfernte Verwandte als Großeltern nicht gesetzliche Erben werden. In einem solchen Fall erbt der überlebende Ehegatte allein.
1.1.1.3 Wahlrecht des Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft
Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB), hat der überlebende Ehegatte folgende Wahlmöglichkeit:
- Gemäß § 1931 Abs. 1 BGB beträgt die Erbquote des Ehegatten neben Verwandten der ersten Ordnung ¼ bzw. neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern ½ des Nachlasses. Zur Berücksichtigung eines während der Ehe erzielten Zugewinns des Verstorbenen zugunsten des überlebenden Ehegatten wird dieser gesetzliche Erbteil gem. § 1931 Abs. 3, § 1371 Abs. 1 BGB pauschal um ¼ erhöht ("erbrechtliche Lösung"). Damit soll sichergestellt werden, dass ein während der Ehezeit erzielter Zugewinn auch im Todesfall des Partners dem überlebenden Ehegatten zufällt. Diese pauschale Regelung gilt auch dann, wenn ein solcher Vermögenszuwachs während der Ehezeit überhaupt nicht erzielt worden ist.
- Alternativ dazu gibt § 1371 Abs. 3 BGB dem überlebenden Ehegatten die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen und stattdessen zwei Forderungen gegen die Erben des verstorbenen Ehepartners zu erheben: Er kann gem. § 1371 Abs. 3 BGB i. V. m. § 2303 Abs. 2 BGB seinen so genannten "kleinen Pflichtteil" fordern (Pflichtteilsquote: 1/8) und außerdem kann er den konkret berechneten Zugewinnausgleich (wie im Fall der Scheidung) gem. § 1378 BGB geltend machen ("güterrechtliche Lösung").
1.1.1.4 Voraus des Ehegatten
Gemäß § 1932 BGB steht dem überlebenden Ehegatten – güterstandsunabhängig – neben seinem gesetzlichen Erbteil der so genannte "Voraus" zu. Dieser ist als gesetzliches Vermächtnis ausgestaltet. Er umfasst die Haushaltsgegenstände (i. S. d. §§ 1361a, 1369 BGB), soweit diese nicht Zubehör eines Grundstücks sind, und die Hochzeitsgeschenke.
Der Begriff der Haushaltsgegenstände ist weit zu verstehen. Umfasst werden alle Sachen, die im Hinblick auf die gemeinsame Lebensführung in den räumlich gegenständlichen Lebensbereich beider Eheleute einbezogen sind. Auszunehmen sind die Gegenstände, die nach der Verkehrsauffassung dem persönlichen Bereich nur eines Gatten zuzuordnen sind.
Der Ehegatte hat eine schuldrechtliche Forderung gegen die Erbengemeinscha...