Leitsatz
a) Die Verlängerung der Frist zur Annahme der auf den Abschluss eines langfristigen Mietvertrags gerichteten Erklärung bedarf nicht der Schriftform des § 550 BGB.
b) Zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB genügt es, wenn die Vertragsbedingungen eines konkludent abgeschlossenen Mietvertrags in einer der "äußeren Form" des § 126 Abs. 2 BGB genügenden Urkunde enthalten sind.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
BGB § 550
Kommentar
Der entschiedene Fall betrifft einen Vertrag über die Vermietung von noch zu errichtenden Gewerberäumen (sog. "Vermietung vom Reißbrett") auf die Dauer von 15 Jahren, beginnend mit der Übergabe des schlüsselfertigen Mietobjekts. Die Vermieterin unterzeichnete die Vertragsurkunde am 16.3.1992 und leitete sie sodann dem Mietinteressenten zu. In der Vertragsurkunde war unter § 14 Folgendes bestimmt: "Die Vertragspartei, die den Vertrag zuerst unterzeichnet, hält sich an das Vertragsangebot einen Monat ab Zugang bei der Gegenseite gebunden."
In der Folgezeit hat die Vermieterin die Frist zur Gegenzeichnung und Übersendung des unterzeichneten Vertrags bis 22.4.1992 verlängert. Der Mietinteressent hat den Vertrag am 22.4.1992 unterschrieben; wann die Vertragsurkunde an die Vermieterin zurückgesandt wurde, blieb ungeklärt.
Am 9.11.1993 wurde das fertiggestellte Mietobjekt dem Mieter übergeben. Dieser hat die Mietsache als mangelfrei entgegengenommen und ab diesem Zeitpunkt die Miete bezahlt. Einige Jahre vor dem vereinbarten Mietende hat der Mieter Klage auf Feststellung erhoben, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. Die Instanzgerichte haben der Klage stattgegeben.
Der BGH hat die Urteile aufgehoben und die Klage abgewiesen:
Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, gilt er für unbestimmte Zeit (§ 550 Satz 1 BGB). Die Vertragsurkunde wurde von beiden Parteien unterzeichnet. Die Schriftform des § 126 Abs. 2 BGB (Unterzeichnung des Vertrags auf derselben Urkunde) war deshalb eingehalten. Jedoch war streitig, ob die unterzeichnete Urkunde (die Annahme des Angebots) der Vermieterin fristgerecht zugegangen ist. Verneint man dies, ist in dem verspäteten Zugang gem. § 150 Abs. 1 BGB ein neues Angebot zu sehen, das die Vermieterin durch die Übergabe des Mietobjekts angenommen hat. Der Mietvertrag wäre dann durch konkludente Handlung zustande gekommen.
Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur vertritt die Ansicht, dass die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt ist, wenn sowohl das Angebot als auch dessen Annahme in schriftlicher Form erfolgt; ein Vertragsschluss durch konkludente Handlung reicht nicht aus (KG Berlin, Urteil v. 25.1.2007, 8 U 129/06, NZM 2007 S. 517; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, Rdn. 112). Nach anderer Meinung genügt es in den Fällen der verspäteten Annahme für die Wahrung der Schriftform, dass in einer Urkunde, die der "äußeren Form" des § 126 Abs. 2 BGB entspricht, alle wesentlichen Vertragsbedingungen enthalten sind (OLG Jena, Urteil v. 13.3.2008, 1 U 130/07, NZM 2008 S. 572, 573; OLG Hamm, Urteil v. 23.11.2005, 30 U 45/05, ZMR 2006 S. 205, 206; Schultz, NZM 2007 S. 509; Lützenkirchen, WuM 2008 S. 119, 130).
Der BGH folgt dieser Auffassung. Die Schriftform hat Informations-, Warn- und Beweisfunktion. Nach diesen Zwecken spielt es keine Rolle, ob und gegebenenfalls wie der Vertrag zustande gekommen ist. Maßgeblich ist nur, ob ein Erwerber des Mietobjekts aufgrund der Vertragsurkunde über die Bedingungen des Mietvertrags – falls dieser zustande gekommen ist und noch besteht – informiert wird.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 24.2.2010, XII ZR 120/06, NJW 2010 S. 1518