Leitsatz
§ 4 Abs. 6 MBKK 94 hält einer Inhaltskontrolle nach § 9 ABGB, § 307 Abs. 1 und 2 BGB stand.
Sachverhalt
Der Kl. ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung Verbraucherinteressen wahrnimmt und in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach §§ 13 Abs. 2 Nr. 1, 22a) AGBG, §§ 4, 16 Abs. 4 UKlaG eingetragen ist. Der Bekl. ist ein bundesweit tätiges Krankenversicherungsunternehmen. Er verwendet Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB). In deren Teil I heißt es u. a. (insoweit wortgleich mit entsprechenden Bestimmungen in den MBKK 94):
§ 1 Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes
Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse.
Er gewährt im Versicherungsfall
in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen, …
Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen …
Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich aus dem Versicherungsschein, späteren schriftlichen Vereinbarungen, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Musterbedingungen mit Anhang, Tarif mit Tarifbestimmungen) sowie den gesetzlichen Vorschriften …
§ 4 Umfang der Leistungspflicht
I. …
Der versicherten Person steht die Wahl unter den niedergelassenen approbierten Ärzten und Zahnärzten frei. Soweit die Tarifbedingungen nichts anderes bestimmen, dürfen Heilpraktiker im Sinne des Deutschen Heilpraktikergesetzes in Anspruch genommen werden …
Der Versicherer leistet im vertraglichen Umfang für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Er leistet darüber hinaus für Methoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen; der Versicherer kann jedoch seine Leistungen auf den Betrag herabsetzen, der bei der Anwendung vorhandener schulmedizinischer Methoden oder Arzneimittel angefallen wäre.
Der Kl. hielt § 4 I Abs. 6 AVB mit Ausnahme des letzten Halbsatzes wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG für unwirksam und nahm den Bekl. im Wege der Verbandsklage auf Unterlassung in Anspruch.
LG und OLG haben der Klage stattgegeben.
Die Revision des Bekl. hatte Erfolg.
Entscheidung
Die beanstandete Klausel ist nach Auffassung des BGH wirksam. Sie hält einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG, § 307 Abs. 1 und 2 BGB n. F. stand.
I. Das Berufungsgericht nehme an, die beanstandete Klausel sei nicht gemäß § 8 ABGB der Inhaltskontrolle entzogen. Bei der im Verbandsprozess vorzunehmenden kundenfeindlichsten Auslegung sei § 4 I Abs. 6 Satz 2 Hs. 1 Alt. 2 AVB ("oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen") dahin zu verstehen, dass bei unheilbaren und/oder wenig erforschten Krankheiten die Kosten alternativer Methoden nur dann übernommen würden, wenn keine schulmedizinischen Ansätze vorhanden seien. Da schwer vorstellbar sei, dass es Krankheiten gebe, zu deren Behandlung überhaupt kein schulmedizinischer Ansatz vorhanden sei, führe die Klausel bei den genannten Krankheiten praktisch zu einem Ausschluss für Leistungen auf Kosten alternativer Methoden. Dies stelle eine wesentliche Einschränkung der vertraglichen Rechte des VN dar, die den Vertragszweck i. S. v. § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG gefährde.
Die Klausel verstoße auch gegen das Transparenzgebot. Für den durchschnittlichen VN sei nicht durchschaubar, dass der Bekl. entgegen der umfassenden Leistungszusage in § 1 I Abs. 1 und 2 AVB eine Leistungspflicht uneingeschränkt nur bei Kosten schulmedizinischer Behandlungen übernehme, Kosten alternativ medizinischer Methoden jedoch nur beim VN zu beweisender Gleichwertigkeit, bei unheilbaren und/oder unerforschten Krankheiten dagegen überhaupt nicht erstatten wolle.
II. Das Berufungsurteil hält nach Auffassung des BGH der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.
1. Zuzustimmen sei dem Berufungsgericht darin, dass § 8 ABGB (jetzt § 307 Abs. 3 BGB n. F.) die Kontrolle nicht hindere, weil die Klausel das schon in § 1 I Abs. 1 und 2 AVB gegebene Hauptleistungsversprechen durch nähere Konkretisierung ausgestalte. Solche Klauseln seien kontrollfähig (vgl. BGH, VersR 2001, 184).
2. Das Berufungsgericht habe auch richtig gesehen, dass vor der Prüfung der Klausel ihr Inhalt durch Auslegung zu ermitteln sei.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sei die Klausel wie folgt auszulegen:
§ 4 I Abs. 6 Satz 1 AVB regele die Leistungspflicht für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt seien. Nach Satz 2 Hs. 1 umfasse die Leistungspflicht "darüber hinaus" in zwei Fällen auch andere Methoden und Arzneimittel.
Die Alt. 1 und Satz 2 betreffe die Erstattung von Aufwendungen, die bei einer Heilbehandlung...