Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
10.1 Grundlagen
Rz. 41
Wie sich aus § 191 Abs. 1 AO ergibt, wird für Steuern auch nach zivilrechtlichen Vorschriften gehaftet. Alle im Zivilrecht zu findenden Haftungsvorschriften, die auf die steuerlichen Ansprüche passen, können für diese auch herangezogen werden. Dabei stehen die zivilrechtlichen Haftungsvorschriften völlig selbstständig und gleichrangig neben den steuerlichen Haftungsvorschriften der AO und der Einzelsteuergesetze. Sie sind also nicht nachrangig (subsidiär) und ergänzen sie auch nicht nur. Die steuerlichen und die zivilrechtlichen Haftungsnormen können sich deswegen überschneiden (vgl. dazu Rz. 4). Zum Umfang der Haftung vgl. Rz. 21.
Die zivilrechtlichen Haftungsvorschriften können sehr verschiedene Gründe oder Motive haben. Zahlreiche Haftungsnormen sind im Zusammenhang mit Gesellschaftsverhältnissen anzutreffen und betreffen die Haftung der Gesellschafter und der geschäftsführenden Personen. Auch löst der Übergang eines Vermögens oder von Vermögensteilen häufig eine Haftung aus. Weiter gibt es z. B. die Haftung von Organen für ihre juristischen Personen. Die wichtigsten Haftungsvorschriften werden im Folgenden dargestellt. Der Umfang der Haftungsansprüche richtet sich danach, auf welche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftungsvorschrift des Zivilrechts passt. Aus dem zu engen Wortlaut des § 191 Abs. 1 AO kann nach BFH v. 24.2.1987, VII R 4/84, BStBl II 1987, 363 keine Beschränkung der Haftung auf Steueransprüche hergeleitet werden.
10.2 Gesellschaftsverhältnisse
10.2.1 BGB-Gesellschaft
Rz. 42
Eine BGB-Gesellschaft ist zwar auch nicht teilweise rechtsfähig, kann aber selbst Stpfl. sowie auch Steuerschuldnerin und Haftende sein. Steuerschuldnerin ist die BGB-Gesellschaft z. B. für die USt und GewSt, Haftende möglicherweise für die LSt sowie Steuerschuldnerin oder Haftende bei der GrESt. Vollstreckt werden kann wegen der steuerlichen Schulden in das Vermögen der Gesellschaft. Umstritten ist die Frage, ob die Gesellschafter für die Steuern der BGB-Gesellschaft haften. Der Gesetzgeber hat eine besondere Haftungsvorschrift für BGB-Gesellschafter für nicht erforderlich gehalten, da sich nach seiner Annahme deren Haftung aus §§ 714, 427 BGB ergibt.
Die Vorschriften des BGB über die Gesellschaft enthalten keine Bestimmung über die Haftung der Gesellschafter. Die zivilrechtliche Lit. und Rspr. haben aber früher eine gesamtschuldnerische Haftung aus einer entsprechenden Anwendung des § 427 BGB abgeleitet. Dem hatte sich auch der BFH angeschlossen. Es wurde in diesem Zusammenhang von der "Doppelverpflichtungstheorie" gesprochen. Die vertretungsberechtigten Gesellschafter handeln nach dieser im Zivilrecht früher herrschenden Theorie nicht nur für die Gesellschaft, sondern zugleich für die Gesellschafter als Einzelpersonen. Daraus folgte eine Haftung der Gesellschafter aus dem Inhalt der Willenserklärungen. Neben die Schuldnerschaft der GbR trat gleichzeitig die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter. Dieses bedeutete allerdings auch, dass ein Gesellschafter, der nach der Entstehung der Steuerschuld in die Gesellschaft eintrat, für sie nicht haftete.
Rz. 42a
Der BGH hat Anfang 2001 die Doppelverpflichtungstheorie aufgegeben und die persönliche Haftung eines Gesellschafters einer GbR aus einer entsprechenden Anwendung des § 128 HGB abgeleitet. Er hat eine Gesamtschuldnerschaft zwischen den so haftenden Gesellschaftern und der Gesellschaft angenommen. Für den Fall des Eintritts in eine GbR hat BGH v. 7.4.2003, II ZR 56/02, MDR 2003, 756 seine Haftung auch für vor seinem Eintritt begründete Verbindlichkeiten bejaht und ihn zum Gesamtschuldner mit den Altgesellschaftern erklärt. Dies hat der BGH grundsätzlich auch für GbR angenommen, in denen sich Angehörige freier Berufe zu gemeinsamer Berufsausübung zusammengeschlossen haben. Diese Rspr. des BGH hat der BFH übernommen. Soweit die GbR als solche der Besteuerung unterliegt, ergibt sich nach BFH v. 28.1.2005, III B 91/04, BFH/NV 2005, 1141; BFH v. 9.5.2006, VII R 50/05, BFH/NV 2006, 1898 die persönliche Haftung der Gesellschafter einer GbR für die Steuerschulden und die steuerlichen Nebenleistungen der Gesellschaft entsprechend § 128 S. 1 HGB i. V. m. § 191. Dies gilt entsprechend der BGH-Rspr. nur für die Außengesellschaften, nicht dagegen für die Innengesellschaften. Für Innengesellschaften, für die eine gesetzliche Haftungsregelung i. S. d. § 191 AO wie die zur Außengesellschaft entsprechend § 128 HGB nicht vorhanden ist, bleibt es bei der bisherigen Rechtslage . Insbesondere ist hier die Mitwirkung des Gesellschafters an der Gestaltung des Sachverhalts maßgebend.
Rz. 42b
Die frühere Rspr. des BFH, dass die Haftung nur für solche Verbindlichkeiten in Betracht komme, bei deren Begründung der potenzielle Haftungsschuldner bereits Gesellschafter der GbR war, ist nach der Übernahme der Rspr. ...