Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 60
Im Zivilrecht wird an mehreren Stellen eine Haftung an den Übergang eines Vermögens oder von Vermögensteilen auf einen Rechtsnachfolger geknüpft. Steuerlich können diese Haftungsregelungen dann ebenfalls als Haftungsgrundlage übernommen werden, wenn Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unter die Vorschriften passen und es sich um ein Einstehenmüssen für eine fremde Schuld handelt (vgl. Rz. 1). Im Fall der Gesamtrechtsnachfolger z. B. der Erben durch den Erbfall bzw. beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer bisher nur aus zwei Gesellschaftern bestehenden Personengesellschaft treten die Gesamtrechtsnachfolger in vermögensrechtlicher Beziehung an die Stelle des Gesamtrechtsvorgängers (Erblasser, Gesellschaft), werden also Schuldner der von ihren Vorgängern geschuldeten Beträge. Es handelt sich also nicht um Haftungstatbestände, bei denen nach § 191 AO ein Haftungsbescheid erlassen werden kann. Das gilt auch für das Einstehenmüssen des Erben bei Fortführung eines zum Nachlass gehörenden Handelsgeschäfts. Auf diesen Fall sind zwar die Vorschriften des § 25 HGB (vgl. Rz. 61, 62) entsprechend anwendbar. Dies bedeutet jedoch nur eine Modifizierung der Schuldnerstellung des bzw. der Erben auf Grund der Gesamtrechtsnachfolge. War jedoch der Erblasser oder sonstige Rechtsvorgänger bereits Haftungsschuldner, so geht diese Stellung auch auf den oder die Gesamtrechtsnachfolger über.
Folgende Fälle der Haftung bei Einzelrechtsnachfolge im Vermögen sind in der Praxis besonders bedeutsam und treten neben § 75 AO.
10.5.1 Erwerb eines Handelsgeschäfts bei Firmenfortführung (§ 25 HGB)
Rz. 61
Nach § 25 HGB haftet der Erwerber eines unter Lebenden erworbenen Handelsgeschäfts, wenn er das Geschäft unter der bisherigen Firma fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten.
Voraussetzung ist zunächst der Übergang des Geschäfts, d. h. zumindest eines funktionsfähigen Unternehmenskerns. Weiter ist erforderlich, wie § 25 Abs. 1 und 3 HGB ergeben, dass nach dem Übergang des Geschäfts dieses unter der bisherigen Firma fortgeführt wird. Dabei kann ein Nachfolgezusatz hinzugefügt werden. Dieser oder andere geringfügige Änderungen der Firma schließen die Haftung nicht aus. Eine solche geringfügige Abweichung ist z. B. anzunehmen, wenn an die Stelle des Firmenzusatzes "KG" die Bezeichnung "GmbH" tritt und der bisher ausgeschriebene Vorname des Komplementärs auf den Anfangsbuchstaben verkürzt wird.
Wird anstelle des Namens nur eine Abkürzung in die Firma des Erwerbers übernommen, trägt dies die Haftung des Erwerbers nicht. Eine Firmenfortführung liegt vor, wenn im Verkehr die neue Firma trotz vorgenommener Änderungen noch mit der alten identifiziert wird.
Wie weit im Vordergrund für diese Haftung die Fortführung der Firma steht, zeigt die Rspr. des BGH, der die Haftung nach § 25 HGB auch dann eintreten lässt, wenn das Handelsgeschäft nur verpachtet, aber dann unter der bisherigen Firma fortgeführt wird. Der Übernehmer einer Zweigniederlassung haftet, wenn diese im Rechtsverkehr im Großen und Ganzen wie ein eigenständiges Unternehmen in Erscheinung tritt, ebenfalls für ihre Verbindlichkeiten.
Die Haftung nach § 25 Abs. 3 HGB bei Nichtübertragung der Firma kommt für Ansprüche aus dem Schuldverhältnis nur bei besonderer Verpflichtung in Betracht. Es handelt sich dann um eine vertragliche Haftung (vgl. Rz. 66).
Rz. 62
Die Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB erstreckt sich auf alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (zur Geltendmachung durch Haftungsbescheid vgl. Rz. 6), die in dem Handelsgeschäft begründet sind. Eine sachliche Einschränkung ist nicht vorgesehen. Allerdings gehört z. B. die Körperschaftssteuer als Personensteuer bei der Firmenfortführung nicht in den Haftungsbereich des § 25 Abs. 1 HGB. Zeitliche Einschränkungen ergeben sich lediglich aus den Verjährungsvorschriften. § 25 Abs. 2 HGB lässt aber ausdrücklich die Möglichkeit einer Beschränkung bzw. eines Ausschlusses der Haftung zu, wenn die dort aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Vereinbarung über den Haftungsausschluss muss danach dem jeweiligen Gläubiger – entweder durch Einzelmitteilung oder allgemein durch Handelsregistereintragung und Bekanntgabe – bekannt gemacht werden, damit der Gläubiger rechtzeitig den bisherigen Geschäftsinhaber in Anspruch nehmen kann. Eine danach wirksame Haftungsbeschränkung oder -befreiung gilt auch für die steuerlichen Ansprüche. Das Steuerrecht, das im Übrigen keine Haftungsbeschränkung durch Vereinbarung mit Dritten anerkennt, kann die zivilrechtliche Haftungsvorschrift für seine Zwecke nur so übernehmen, wie es sie vorfindet (vgl. Rz. 21).
Ist der Erwerber für die früheren Verbindlichkeiten des Geschäfts haftbar, so gilt für den früheren Geschäftsinhaber eine Nachhaftungsbegrenzung von fünf Jahren ab Eintragung des Wechsels ins Handelsregister bzw. im Fall des § 25...