Rz. 54
Ist der Verstorbene in zweiter (oder weiterer) Ehe verheiratet und hat dieser Kinder aus vorherigen Beziehungen (z.B. Kinder aus vorheriger Ehe oder uneheliche Kinder; särkullsbarn), die nicht zugleich Kinder des längstlebenden Ehegatten sind, so ist es auch hier so, dass diese Kinder sogleich ihren Erbanteil einfordern können, d.h. im Verhältnis zu diesen fällt der entsprechende quotenmäßige Nachlass nicht zunächst bei dem längstlebenden Ehegatten an, wenn diese nicht mit der Maßgabe, dann Erben des längstlebenden Ehegatten zu werden, auf ihr Erbe zugunsten des längstlebenden Ehegatten verzichten (ÄB 3:1 und 3:9). An dieser Stelle kann auf die entsprechenden obigen Ausführungen zum in erster Ehe verheirateten Erblasser verwiesen werden.
Verlangen särkullsbarn im Verhältnis zum Stiefelternteil ihr Erbe nach dem Tode des eigenen Elternteils, muss sowohl eine güterrechtliche Teilung (bodelning) als auch eine erbrechtliche Teilung (arvskifte) stattfinden. Sie können aber auch zugunsten des längstlebenden Ehegatten auf die Geltendmachung verzichten und werden dann wie Nacherben behandelt (ÄB 3:9). Sind die Erben noch nicht volljährig, kann ihr Vormund die Verzichtserklärung zugunsten des Längstlebenden unter der Voraussetzung abgeben, dass der übergeordnete Vormund (överförmyndare) dem zustimmt (FB 15:6). Natürlich können Erben auch zugunsten ihrer Abkömmlinge verzichten. Es kommt bei der Erklärung sehr auf die Formulierung an. Erklärt das Kind nicht ausdrücklich, dass es zugunsten des Längstlebenden verzichtet (avstår), so wird die Erklärung so ausgelegt, dass der Verzicht zugunsten der eigenen Abkömmlinge erfolgt. Ein "särkullbarn" kann auch nur teilweise das Erbe verlangen, also z.B. einen Teil zugunsten des überlebenden Stiefvaters/der überlebenden Stiefmutter "stehen lassen" und/oder mit einem Teil zugunsten seiner Kinder zurücktreten und einen Teil des Erbes behalten. Das Wort "Verzicht" ("avstå") bedeutet insofern nicht Verzicht auf das Erbe wie die Ausschlagung im deutschen Recht.
Rz. 55
Gerade mit Blick darauf, dass särkullsbarn in dem Falle, dass der eigene Elternteil verstirbt und dieser mit einem Ehegatten verheiratet war der nicht Elternteil dieses Kindes ist, ihr Erbe sofort beim Tod des eigenen Elternteils verlangen können (und damit diesbezüglich den längstlebenden Ehegatten aus seiner einem unbefreiten Vorerben vergleichbaren Stellung verdrängen können), besteht in der Praxis – insbesondere mit Blick auf die existierenden Regelungen zum gesetzlichen Erbrecht – gerade im Verhältnis zu den särkullsbarn bei verheirateten Ehegatten das Bedürfnis, den längstlebenden Ehegatten durch ein Testament abzusichern. Möglich ist es zum Beispiel in einem Testament zu formulieren, dass der längstlebende Ehegatte den Nachlass des verstorbenen Ehegatten mit "freiem Verfügungsrecht" (oder aber wenn verstärkter Schutz des längstlebenden Ehegatten gewollt ist: mit "vollem Eigentumsrecht") erhält, mit Ausnahme jedoch des dem Kind zufallenden gesetzlichen Pflichtteils.
Rz. 56
Der überlebende Ehegatte hat gemäß den schwedischen erbrechtlichen Vorschriften keinen Pflichtteil im Sinne eines erbrechtlichen Mindesterbteils, aber immer das Recht, aus dem Nachlass des verstorbenen Ehegatten, soweit der Nachlass ausreicht, Vermögen (im Gesetzestext "egendom") zu einem so hohen Wert zu erhalten, dass dieses zusammen mit dem Vorbehaltsvermögen (im Gesetzestext "egendom"), das der überlebende Ehegatte bei der Güterteilung (bodelning) erhielt, oder seinem Vorbehaltsgut (enskild egendom) das Vierfache des zur Zeit des Todesfalles nach dem Gesetz (1962:381) über die "allgemeine Versicherung" geltenden Grundbetrages ausmacht (ÄB 3:1). Dieses Recht kann auch nicht durch eine testamentarische Verfügung beschränkt werden. Dieser Grundbetrag beträgt für das Jahr 2024 57.300 SEK, die damit einhergehende Garantie demnach 229.200 SEK. Der tragende Gedanke hinter dieser Grundbetrags- und Wertsicherungsregelung besteht darin, dass der überlebende Ehegatte normalerweise Werte entsprechend den Haushaltsgegenständen erhalten oder behalten soll und nicht gezwungen sein soll, Hausrat zu verkaufen, um Erben des vorverstorbenen Ehegatten befriedigen zu können. Anzumerken ist auch, dass der längstlebende Ehegatte wie auch "nicht versorgte" Kinder, auch Adoptivkinder, für drei Monate – gerechnet vom Todestag an – ein Recht auf Unterhalt aus dem Nachlass haben (ÄB 18:5). Ist dem Ehegatten durch Testament etwas zugewendet worden, so ist dies auf den Basisbetrag anzurechnen, es sei denn, der Testator hat im Testament ausdrücklich bestimmt, dass der im Testament zugewandte Betrag nicht auf den Basisbetrag anzurechnen ist. Ein Betrag aus einer Lebensversicherung ist nicht auf den Grundbetrag anzurechnen. Der Längstlebende kann darüber hinaus aus dem Haushalt gem. ÄktB Kap. 10 § 2 "Kleider und andere Gegenstände entnehmen, die er ausschließlich zum persönlichen Gebrauch benutzt, sowie persönliche Gesch...