Rz. 79
Der einzelne Aktionär hat nach schwedischem Aktienrecht zunächst einmal kaum eigene Rechte, abgesehen vom Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung und dem Recht auf Dividende, vorausgesetzt ein entsprechender Beschluss auf der Hauptversammlung wurde gefasst. Ist er Mehrheitsaktionär, ergebe sich aus dieser Stellung allerdings eine Reihe von besonderen Rechten. Eigene Geschäftsführungs- oder Kontrollrechte hat der Aktionär nicht. Auch nach schwedischem Gesellschaftsrecht gilt grundsätzlich das Mehrheitsprinzip. Das ABL zeigt jedoch gewisse Grenzen auf. Die Bestimmungen über den Minderheitenschutz befinden sich an verschiedenen Stellen im Gesetz. Minderheitenaktionäre wie auch alle anderen Aktionäre werden durch die Bestimmungen über die Befangenheit bei Abstimmungen auf der Hauptversammlung und durch das Fragerecht auf der Hauptversammlung geschützt. Bei Aktiengesellschaften mit weniger als 10 Aktionären gibt es ein qualifiziertes Fragerecht bzw. eine Auskunftspflicht der Verwaltungsratsmitglieder.
Minderheitenaktionäre genießen durch Stimmrechtsregeln einen gewissen Schutz vor für sie nachteilige Änderungen der Gesellschaftssatzung (siehe näher Rdn 90).
Rz. 80
Durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen den Aktionären kann außerhalb der Satzung vereinbart werden, dass Minderheitsrechte schon dann bestehen, wenn ein Aktionär weniger als 1/10 der Aktien besitzt. Ein Shareholder Agreement kann jedoch weder Dritten noch der Gesellschaft entgegengehalten werden und die Ausübung der gesellschaftsrechtlichen Rechte durch den bzw. die Mehrheitsaktionäre wird dadurch nicht unzulässig, sondern löst nur einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die Vereinbarung aus.
Rz. 81
Den begrenzten Rechten des Aktionärs steht aber auch das Haftungsprivileg des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegenüber. Sein Risiko ist nämlich auf die einmal geleistete Einzahlung des Aktienkapitals beschränkt. Darüber hinaus haftet er grundsätzlich nicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.
Abgesehen von der Gründerhaftung (siehe Rdn 45) und der Verletzung der gesetzlichen Liquidationspflichten (siehe Rdn 49) kommt ein Haftungsdurchgriff auf den Aktionär nur dann in Frage, wenn er den Gläubigern der Gesellschaft durch Verletzung der zwingenden Vorschriften des Aktiengesellschaftsgesetzes einen Schaden zugefügt hat, insbesondere wenn er aktiv gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen und dadurch einen Verlust verursacht hat. Ansonsten ist die schwedische Rechtsprechung zum Haftungsdurchgriff sehr restriktiv.
Der Höchste Gerichtshof hat jedoch in einem Ende 2014 ergangenen Urteil eine Ausnahme von dem Haftungsprivileg zugelassen. Die Beklagten hatten eine mit dem Mindestaktienkapital ausgestattete Aktiengesellschaft dazu benutzt, um eine behauptete Schadensersatzforderung in Millionenhöhe gegen die später klagende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einzuklagen. Dazu hatten die Beklagten einen ihr vermeintlich zustehenden Schadensersatzanspruch zunächst an die Aktiengesellschaft abgetreten. Es war von vornhinein klar, dass die klagende Aktiengesellschaft im Fall des Unterliegens der Prozessgegnerin nicht die Verfahrenskosten würde erstatten können. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gewann den Schadensersatzprozess, fiel aber mit ihrem Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin aus, nachdem diese nur wenige Wochen nach Erlass des Urteils Konkursantrag gestellt hatte. Die ursprüngliche Beklagte, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, machte daher ihren Kostenerstattungsanspruch gegenüber den Gesellschaftern der klagenden Prozessgesellschaft geltend. Der Gerichtshof sah es als erwiesen an, dass die Einschaltung der (Prozess-)Aktiengesellschaft nur dem Zweck diente, die Kostenerstattungsregeln des schwedischen Prozessrechts (in dem Prozessgesetzbuch "Rättegångsbalken" geregelt) zu umgehen, da es offensichtlich an einer anderen unternehmerischen Betätigung als der Prozessführung fehlt. Dabei wägte das Gericht auch die Interessen der Beteiligten ab und stellte fest, dass ein obsiegender Beklagter seine Kostenerstattungsforderung "unfreiwillig" erworben hat, weil er sich der Klage eben nicht entziehen konnte und damit schutzwürdiger ist als derjenige, der auf das Haftungsprivileg vertraute. Damit ließ der Höchste Gerichtshof den Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter zu und verurteilte diese zur Zahlung der eingeklagten Prozesskosten. Das Urteil dürfte den Weg für weitere Entscheidungen zum Missbrauch der Gesellschaftsform ebnen.