Rz. 44

Ist der Erblasser in erster Ehe verheiratet und existieren keine Kinder oder nur gemeinsame Kinder mit diesem längstlebenden Ehegatten, so fällt der gesamte Nachlass zunächst dem längstlebenden Ehegatten, gewissermaßen einem unbefreiten Vorerben vergleichbar, alleine zu, und zwar auch vor den gemeinsamen Kindern der Ehegatten (ÄB 3:1). Dies gilt aber nicht, wenn im Zeitpunkt des Todes ein Scheidungsverfahren anhängig war (ÄB 3:10). Ein Getrenntleben – auch ein längeres – beeinträchtigt hingegen nicht das Erbrecht des Längstlebenden.[19]

Existieren jedoch ebenfalls Kinder des Erblassers aus einer vorherigen Beziehung des Erblassers, die nicht gleichzeitig Abkömmlinge des längstlebenden Ehegatten sind (särkullsbarn), so können diese Kinder sogleich ihren Erbanteil einfordern, d.h. im Verhältnis zu diesen fällt der entsprechende quotenmäßige Nachlass nicht zunächst bei dem längstlebenden Ehegatten an, wenn diese nicht mit der Maßgabe, dann Erben des längstlebenden Ehegatten zu werden, auf ihr Erbe zugunsten des längstlebenden Ehegatten verzichten (ÄB 3:1 und 3:9).

Ein Erbrecht eines Kindes des Erblassers aus einer vorhergehenden Beziehung verdrängt gewissermaßen, jedenfalls anteilsmäßig, den längstlebenden Ehegatten aus dessen einem unbefreiten Vorerben vergleichbaren Erbposition. Wenn ein verheirateter Erblasser lediglich Kinder aus einer anderen Beziehung hinterlässt, hat der längstlebende Ehegatte kein eigenständiges Erbrecht im eigentlichen Sinne.[20] Der längstlebende Ehegatte kann aber jedenfalls in dieser Situation Güterteilung (bodelning) verlangen. Der längstlebende Ehegatte hat immer das Recht zusammengerechnet mit dem Betrag, den dieser über die durchzuführende Güterteilung (bodelning) erhält, mindestens vier Grundbeträge (prisbasbelopp) zu erhalten (ÄB 3:1 Abs. 2).

Nach dem Tode des längstlebenden Ehegatten erben dann die gemeinsamen Kinder (ÄB 3:2, Abs. 1) und gegebenenfalls Kinder aus einer vorherigen Beziehung des erstversterbenden Ehegatten, die bei dessen Nachlassabwicklung einen wie vorbeschriebenen Verzicht erklärt haben.

Sind keine Kinder vorhanden, erben die gesetzlichen Erben der zweiten Klasse. Die auf diese Weise nachgestellten Erben haben bis zum Tode des längstlebenden Ehegatten gewissermaßen die Stellung von Nacherben (efterarvingar).

Nur wenn der zuerst verstorbene Ehegatte weder Abkömmlinge noch Verwandte der zweiten Klasse hinterließ und auch keine anders lautenden testamentarischen Verfügungen getroffen hat, wird der längstlebende Ehegatte beim Tod des erstversterbenden Ehegatten Vollerbe.[21]

 

Rz. 45

Der Ehegatte, der nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten den Nachlass des vorversterbenden Ehegatten erhält, hat diesbezüglich ein sogenanntes freies Verfügungsrecht. Er kann das ererbte Vermögen verwalten, verbrauchen oder veräußern.[22] Er darf es jedoch nicht zum Gegenstand eines neuen eigenen Testaments machen.

 

Rz. 46

Der überlebende Ehegatte hat gegenüber den Nacherben keine Berichtspflicht. Die aus der gemeinsamen Ehe entstammenden eigenen Kinder des Erblassers erhalten gewissermaßen mit dem Tod des Erblassers ein nachgestelltes Erbrecht, das mit dem Tod des längerlebenden Ehegatten realisiert wird.

 

Rz. 47

Grundsätzlich kann der längstlebende Ehegatte auch Nachlassgegenstände verschenken.[23] Verursacht er jedoch durch Geschenke oder eine ähnliche Handlung ohne Rücksicht auf die Erben des Erstverstorbenen eine wesentliche Minderung des Vermögens, so geht dies bei seinem Tode zu Lasten seiner eigenen Erben (ÄB 3:3).[24] Dies gilt nicht nur für Schenkungen an die eigenen Verwandten, sondern auch für Schenkungen an Dritte, auch z.B. an Stiftungen.[25] Der Beschenkte kann die Zuwendung behalten. Nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen können die Nacherben gegen den Zuwendungsempfänger Ansprüche erheben, und zwar binnen fünf Jahren, gerechnet vom Empfang der Zuwendung an (ÄB 3:3, Abs. 2). Der Beschenkte muss bösgläubig gewesen sein (ond tro).[26] Der erbende Ehegatte darf aber nicht durch Testament das Recht der gemeinsamen Kinder einschränken,[27] soweit es das vom Ehegatten geerbte Vermögen betrifft. Er darf also nicht, wenn Nacherben vorhanden sind, letztwillige Verfügungen über Güter treffen, die er als gesetzliches Vorbehaltsgut von seinem verstorbenen Ehegatten geerbt hat.

 

Rz. 48

 

Zur Klarstellung:

Beim Tode des Längstlebenden haben die Nacherben einen Anspruch auf die Hälfte des Erbes des Längstlebenden (ÄB 3:2, Abs. 1). Hatte der Längstlebende einen anderen Anteil als die Hälfte beim Tode des Ehegatten erhalten, so erhalten die Nacherben diesen Anteil.[28] Der Anspruch besteht auf eine Quote, nicht auf bestimmte Gegenstände.[29]

 

Rz. 49

Ist der Wert des Vermögens beim Tode des Längstlebenden höher als der Wert beim Tode des zuerst Verstorbenen und beruht dies auf einer Erbschaft, Schenkung oder auf dem Arbeitseinkommen des Längstlebenden, so kommt dieser Überschuss allein seinen Erben zugute (ÄB Kap. 3 § 4 Abs. 1). Die Beweislast, dass dies für die Werterhöhung zutrifft,...

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