Prof. Dr. Stephan Wolf, Bettina Spichiger
Rz. 62
Für die Schweiz als Nichtmitgliedstaat der Europäischen Union haben die EU-Güterrechtsverordnungen (EUGüVO und EUPartVO) keine direkte Geltung. Sie sind aber für die Beratungspraxis auch in der Schweiz immer dann von grosser Bedeutung, wenn Ehen oder eingetragene Partnerschaften einen Bezug zum EU-Justizraum aufweisen. Dabei können sich insbesondere in Bezug auf die Zuständigkeit und das anwendbare Recht Konflikte ergeben, deren Klärung im Einzelfall durch entsprechende rechtsgeschäftliche Gestaltung zu prüfen und vorzunehmen ist.
Rz. 63
Nach schweizerischem IPR können die Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse mittels Rechtswahl dem Recht ihres jetzigen bzw. zukünftigen gemeinsamen Wohnsitzes oder einem ihrer Heimatrechte unterstellen (Art. 52 IPRG). Im letzteren Fall kommt es auf die effektive Staatsangehörigkeit nicht an (vgl. Art. 23 Abs. 2 IPRG). Die Rechtswahl muss die Schriftform wahren und kann jederzeit getroffen oder geändert werden. Erfolgt sie nach Abschluss der Ehe, wirkt sie vorbehaltlich einer anders lautenden Abrede auf den Zeitpunkt der Eheschließung zurück (Art. 53 IPRG). Ohne solche Rechtswahl bestimmt sich das anwendbare Recht gem. Art. 54 IPRG primär nach dem tatsächlichen bzw. letzten gemeinsamen Wohnsitz der Ehegatten. Dabei gilt es, den in Art. 55 IPRG statuierten Grundsatz der Wandelbarkeit des Güterrechtsstatuts zu beachten. Demnach hat die Begründung eines neuen Wohnsitzes rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eheschließung einen Statutenwechsel zur Folge. Diesen können die Ehegatten durch schriftliche Vereinbarung ausschließen (Art. 55 IPRG). Hatten die Ehegatten nie einen Wohnsitz im gleichen Staat, ist subsidiär ihr gemeinsames Heimatrecht anwendbar. Kommt keine dieser Anknüpfungen zum Zug, gilt Gütertrennung (Art. 247 ff. ZGB).
Rz. 64
Für Unterhaltsansprüche von Ehegatten und Kindern gilt das Haager Übereinkommen vom 2.10.1973 über das auf die Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (Art. 49 und 83 IPRG). Nur im Verhältnis zu Österreich, Belgien und Liechtenstein ist auf das Haager Übereinkommen vom 24.10.1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht abzustellen.
Rz. 65
Das anwendbare Recht hinsichtlich der Kindesbelange richtet sich mit Ausnahme des Unterhalts nach dem Haager Übereinkommen vom 19.10.1996 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (Art. 85 IPRG).
Rz. 66
Der (Familien-)Name wird gem. Art. 37 Abs. 1 IPRG selbstständig angeknüpft. Für Personen mit Wohnsitz in der Schweiz ist schweizerisches Recht, für solche mit Wohnsitz im Ausland dasjenige Recht anwendbar, auf welches das Kollisionsrecht des Wohnsitzstaates verweist. Ein Renvoi auf das schweizerische Recht ist demnach zu beachten. Grundsätzlich bestimmt sich das anwendbare Recht im Moment des namensrechtlichen Ereignisses, im vorliegenden Kontext also zum Zeitpunkt der Eheschließung oder Eheauflösung. Steht jedoch aus Anlass der Heirat ein Wohnsitzwechsel unmittelbar bevor, ist das Recht des zukünftigen Wohnsitzes anzuwenden. Art. 37 Abs. 2 IPRG erlaubt sodann Schweizern wie Ausländern eine Rechtswahl zugunsten ihres Heimatrechts. Die Voraussetzungen und Wirkungen einer Namensänderung bestimmen sich nach schweizerischem Recht (Art. 38 Abs. 3 IPRG).
Rz. 67
Für die übrigen Rechte und Pflichten der Ehegatten, die Gegenstand von Eheschutzmaßnahmen sein können, bestimmt regelmäßig Art. 48 IPRG das anwendbare Recht. Gemäß der darin vorgesehenen Kaskadenanknüpfung gilt primär das Recht des Staates, in dem die Ehegatten ihren Wohnsitz haben (Abs. 1). Liegt dieser in verschiedenen Staaten, ist auf dasjenige Wohnsitzrecht abzustellen, mit dem der Sachverhalt in engerem Zusammenhang steht (Abs. 2). Wenn der angerufene Richter in seiner Funktion als Heimatrichter (Art. 47 IPRG) amtet, kommt immer schweizerisches Recht zur Anwendung (Abs. 3).