Prof. Dr. Stephan Wolf, Bettina Spichiger
a) Vermögen und Schulden
Rz. 22
Die Errungenschaftsbeteiligung kennt kein eheliches Vermögen. Das voreheliche Vermögen verbleibt wie das während der Dauer des Güterstandes anfallende Vermögen dem jeweiligen Ehegatten und wird entweder seiner Errungenschaft (Art. 197 ZGB) oder seinem Eigengut (Art. 198 f. ZGB) zugeordnet. Die ins Eigengut fallenden Vermögenswerte ergeben sich aus der abschließenden gesetzlichen Umschreibung in Art. 198 ZGB. Alle anderen Vermögensobjekte sind – vorbehaltlich einer ehevertraglichen Ausweitung des Eigenguts (vgl. Art. 199 ZGB; siehe hierzu Rdn 56) – als Errungenschaft zu qualifizieren. Die Errungenschaft erfasst sämtliche, während der Dauer des Güterstandes entgeltlich erworbenen Vermögenswerte; die Aufzählung in Art. 197 Abs. 2 ZGB hat lediglich beispielhaften Charakter. Bleibt zwischen den Ehegatten oder im Verhältnis eines Ehegatten zu einem Dritten unbewiesen, ob ein Vermögensgegenstand zum Mannes- oder zum Frauengut gehört, wird gem. Art. 200 Abs. 2 ZGB Miteigentum beider Ehegatten angenommen. Kann lediglich über die Massenzuordnung eines Vermögenswerts innerhalb des Frauen- oder Mannesguts kein rechtsgenüglicher Beweis erbracht werden, statuiert Art. 200 Abs. 3 ZGB eine Vermutung zugunsten der Errungenschaft.
Rz. 23
Durch die Errungenschaftsbeteiligung werden keine gemeinschaftlichen Schulden der Ehegatten begründet. Vielmehr haftet jeder Ehegatte für seine vor oder während der Ehe eingegangenen Verbindlichkeiten alleine und mit seinem gesamten Vermögen (vgl. Art. 202 ZGB). Eine Schuld belastet diejenige Vermögensmasse, mit welcher sie sachlich zusammenhängt, im Zweifel aber die Errungenschaft (Art. 209 Abs. 2 ZGB). Für die Bestimmung des engsten sachlichen Zusammenhangs sind Entstehungsgrund und -zeitpunkt sowie Zweck und Inhalt der Schuld maßgebend.
b) Verwaltung, Nutzung und Verfügung
Rz. 24
Hinsichtlich der sich in seinen Gütermassen befindlichen Vermögenswerte hat jeder Ehegatte innerhalb der gesetzlichen Schranken die alleinige Verwaltungs-, Nutzungs- und Verfügungskompetenz (Art. 201 ZGB). Der Vorbehalt der gesetzlichen Schranken bezieht sich auf die gesamte Rechtsordnung. Zu denken ist etwa an den Schutz der Familienwohnung (Art. 169 ZGB; siehe hierzu Rdn 44 f.), an die gerichtliche Verfügungsbeschränkung auf Antrag eines Ehegatten (Art. 178 ZGB) und an das Zustimmungserfordernis bei der Verfügung über einen Miteigentumsanteil (Art. 201 Abs. 2 ZGB) oder beim Eingehen einer Bürgschaft (Art. 494 OR).
c) Auflösung des Güterstandes
Rz. 25
Die güterrechtliche Auseinandersetzung richtet sich grundsätzlich unabhängig vom Grund, der zur Auflösung des Güterstandes geführt hat, nach denselben Regeln, weshalb auf die Ausführungen in Rdn 106 ff. verwiesen werden kann. Der Zeitpunkt der Auflösung, welcher maßgebend ist für die Bestimmung des Werts der Errungenschaft, wird aber je nach Auflösungsgrund unterschiedlich festgesetzt (Art. 204 i.V.m. Art. 214 ZGB). Im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod ist sodann zu beachten, dass der Nachlass des verstorbenen Ehegatten vom Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung abhängt. Letztere ist somit vor der erbrechtlichen Auseinandersetzung durchzuführen. Um dem überlebenden Ehegatten die Beibehaltung der bisherigen Lebensweise zu ermöglichen, sieht Art. 219 ZGB schließlich die Zuweisung der ehelichen Wohnung zu Eigentum bzw. zur Nutznießung ode...