Prof. Dr. Stephan Wolf, Andrea Dorjee-Good
a) Öffentliches Inventar
Rz. 137
Als Instrument der Haftungsbeschränkung für die Erben dient vorab das öffentliche Inventar (Art. 580–592 ZGB). Das Begehren um Errichtung des öffentlichen Inventars kann von jedem Erben gestellt werden, der zur Ausschlagung befugt ist (Art. 580 Abs. 1 ZGB), d.h. solange er weder die Erbschaft angenommen noch ausgeschlagen hat und weder die Befugnis verwirkt (Art. 571 Abs. 2 ZGB) noch die amtliche Liquidation verlangt hat (Art. 593 Abs. 1 ZGB). Das Begehren muss innert Monatsfrist bei der durch das kantonale Recht zu bestimmenden zuständigen Behörde angebracht werden (Art. 580 Abs. 2 ZGB). Für den Fristbeginn gelten dieselben Regeln wie bei der Ausschlagung (Art. 567 Abs. 2, Art. 569, Art. 571 Abs. 2 ZGB). Auch wenn nur einer von mehreren Miterben das Begehren stellt, erfasst das öffentliche Inventar die ganze Erbschaft (Art. 580 Abs. 3 ZGB).
Rz. 138
Nach Abschluss des Inventars hat jeder Erbe die Möglichkeit, sich innert einer Frist von einem Monat (vgl. Art. 587 ZGB) für eine der vier folgenden Alternativen auszusprechen:
▪ |
Ausschlagung der Erbschaft; |
▪ |
Begehren um amtliche Liquidation; |
▪ |
Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar; |
▪ |
vorbehaltlose Annahme der Erbschaft (Art. 588 Abs. 1 ZGB). |
Rz. 139
Gibt der Erbe keine Erklärung ab, so hat er die Erbschaft unter öffentlichem Inventar angenommen (Art. 588 Abs. 2 ZGB).
b) Amtliche Liquidation
Rz. 140
Das ZGB stellt den Erben mit der amtlichen Liquidation (Art. 593–597 ZGB) eine zweite, im Vergleich zum öffentlichen Inventar noch radikalere Maßnahme der Haftungsbeschränkung zur Verfügung. Der Nachlass wird dabei versilbert, soweit dies zur Deckung der Erbschaftsschulden notwendig ist. Daraus werden vorab die Erbschaftsgläubiger befriedigt; ihnen gegenüber entfällt deshalb jede persönliche Haftung der Erben (Art. 593 Abs. 3 ZGB). Die amtliche Liquidation verhindert die sonst eintretende Verschmelzung der Erbschaft mit dem Vermögen der Erben.
Rz. 141
Die amtliche Liquidation wird auf Antrag eines Berechtigten von der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde oder durch einen oder mehrere von dieser beauftragte(n) Erbschaftsverwalter durchgeführt (Art. 595 Abs. 1 ZGB). Es wird ein Inventar erstellt und ein Rechnungsruf vorgenommen (Art. 595 Abs. 2 ZGB). Anschließend erfolgt die Liquidation (Art. 596 ZGB). Ein allfälliger Überschuss wird den Erben überwiesen. Ist die Erbschaft überschuldet, findet eine konkursamtliche Liquidation statt (Art. 597 ZGB).