Rz. 165

Die Ehegatten können im Rahmen der Errungenschaftsbeteiligung gestützt auf Art. 216 ZGB eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vorschlagsbeteiligung vereinbaren. In der Mehrzahl der Fälle[270] wird mit Blick auf eine Meistbegünstigung des überlebenden Ehegatten eine Zuweisung des gesamten Vorschlags an diesen stipuliert.[271] Die dogmatische Qualifikation solcher Überlebensklauseln ist umstritten.[272]

 

Rz. 166

Da die Vorschlagsforderung einen wertmäßigen Anspruch begründet, führen ehevertragliche Vereinbarungen über die Vorschlagsbeteiligung immer bloß zu einer Änderung des rechnerischen Teilungsschlüssels. Soll ein Ehegatte dagegen berechtigt sein, bestimmte Vermögenswerte zu übernehmen, bedarf es – vorbehältlich der spärlich vorhandenen gesetzlichen güterrechtlichen Teilungsvorschriften (vgl. diesbezüglich insbesondere Art. 219 ZGB) – des Erlasses rechtsgeschäftlicher güterrechtlicher Teilungsvorschriften. Dem Berechtigten wird dadurch – auf Anrechnung an seine güterrechtlichen Ansprüche – ein obligatorischer Anspruch auf Übernahme eines bestimmten Vermögensobjekts eingeräumt.[273] Zulässig ist sodann die Einräumung eines Wahlrechts zugunsten des überlebenden Ehegatten, anrechnungsweise und gegebenenfalls gegen Aufzahlung beliebige Objekte aus den Gütermassen des verstorbenen Ehegatten an sich zu ziehen.[274] Weitere Modifikationsmöglichkeiten bestehen aufgrund von Art. 199 ZGB hinsichtlich der Zuordnung bestimmter Vermögenswerte der Errungenschaft zum Eigengut und aufgrund von Art. 206 Abs. 3 ZGB betreffend den Ausschluss oder die Änderung des Mehrwertanteils.[275]

 

Rz. 167

Vereinbarungen über die Änderung der gesetzlichen Vorschlagsbeteiligung haben die Pflichtteilsansprüche der nichtgemeinsamen Kinder und deren Nachkommen zu beachten (Art. 216 Abs. 2 ZGB). Nur dieser beschränkte Kreis von Noterben – dazu würden an sich sämtliche Nachkommen und auch die Eltern gehören (vgl. Art. 471 Ziff. 1 und 2 ZGB) – kann die Herabsetzung geltend machen. Vereinbarungen über die Vorschlagsbeteiligung gelten vermutungsweise nur für den Fall der Auflösung des Güterstandes durch Tod oder durch Ehevertrag (Art. 217 ZGB).

[270] Vgl. Wolf, Vorschlagszuweisung, S. 7 Fn 33.
[271] Dazu Wolf, Vorschlagszuweisung, S. 48 ff. Für weitere Varianten siehe die ausführliche Kommentierung in Hausheer/Reusser/Geiser, Art. 216 ZGB Rn 14 ff.
[272] Nach BGE 102 II 313 ff. handelt es sich materiell um eine Schenkung von Todes wegen (Art. 245 Abs. 2 OR); BGE 137 III 113 lässt die dogmatische Qualifikation offen, lässt aber die Form des Ehevertrages genügen. Die neuere Lehre spricht sich tendenziell mehrheitlich für die Einordnung als Rechtsgeschäft unter Lebenden aus; vgl. Weimar, Einleitung zum 14. Titel Rn 106 ff.; Steinauer, Rn 285e; Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, § 32 Rn 69 f.; Wolf/Genna, SPR IV/1, S. 143 mit Fn 518; Wolf/Hrubesch-Millauer, Rn 241 f.; ausführlich bereits Wolf, Vorschlagszuweisung, S. 104 ff. m.w.N.
[273] Wolf, Grundstücke, S. 241 ff., 257.
[274] Hausheer/Aebi-Müller, Güter- und erbrechtliche Planung, S. 11.
[275] Vgl. Wolf, Vorschlagszuweisung, S. 8 Fn 38.

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