Prof. Dr. Stephan Wolf, Andrea Dorjee-Good
Rz. 56
Aus deutscher Perspektive bestimmen sich die Fragen der Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts grundsätzlich nach der EuErbVO.
Rz. 57
Unter der EuErbVO hängt die Zuständigkeit Deutschlands insbesondere davon ab, ob der Erblasser Vermögenswerte in Deutschland hinterlässt oder nicht. Befindet sich Nachlassvermögen in Deutschland, so erachten sich die deutschen Behörden und Gerichte gestützt auf die EuErbVO grundsätzlich für den gesamten, weltweiten Nachlass eines deutschen Erblassers zuständig, und zwar ungeachtet dessen, dass der Erblasser seinen Wohnsitz und letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hatte (Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO). Daraus resultiert bei einem deutschen Staatsangehörigen mit letztem Wohnsitz in der Schweiz und Vermögenswerten in Deutschland ein positiver Kompetenzkonflikt, weil sich sowohl die deutschen als auch die Schweizer Behörden für die Behandlung des gesamten Nachlasses zuständig erachten. Eine Milderung dieser Problematik lässt sich allenfalls über Art. 12 Abs. 1 EuErbVO erreichen, wonach das deutsche zuständige Gericht in der Schweiz gelegene Vermögenswerte vom Verfahren ausnehmen kann, wenn zu erwarten ist, dass seine Entscheidung in Bezug auf die entsprechenden Vermögenswerte in der Schweiz nicht anerkannt oder nicht vollstreckt wird. Zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten sollte in solchen Konstellationen eine ausdrückliche Unterstellung unter die deutsche Zuständigkeit geprüft werden.
Rz. 58
Hinterlässt der Erblasser kein Nachlassvermögen in Deutschland, besteht gestützt auf die EuErbVO grundsätzlich auch keine deutsche Zuständigkeit.
Rz. 59
Gestützt auf die EuErbVO untersteht der Nachlass auch aus deutscher Sicht grundsätzlich dem Schweizer Erbrecht als dem Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO i.V.m. Art. 20 EuErbVO). Allerdings steht es dem Erblasser frei, mittels Rechtswahl sein deutsches Heimatrecht zur Anwendung zu bringen (Art. 22 EuErbVO).
Rz. 60
Bei Vorliegen einer Rechtswahl können die betroffenen Parteien unter der EuErbVO vereinbaren, dass die Gerichte in Deutschland für Entscheidungen in Erbsachen ausschließlich zuständig sein sollen (Art. 5 Abs. 1 EuErbVO). Eine Zuständigkeitswahl durch den Erblasser ist in der EuErbVO dagegen nicht vorgesehen. Eine Verfahrensbeschränkung nach Art. 12 EuErbVO ist bei einer Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts nicht erforderlich, weil in Deutschland ergangene Entscheide in der Schweiz aufgrund der Rechtswahl gem. Art. 96 Abs. 1 lit. c nIPRG anerkannt werden.