Prof. Dr. Stephan Wolf, Andrea Dorjee-Good
Rz. 23
Auch in Bezug auf das Erbstatut knüpft das IPRG in erster Linie am letzten Wohnsitz des Erblassers an. Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in der Schweiz untersteht grundsätzlich dem Schweizer Erbrecht (Art. 90 Abs. 1 IPRG, unverändert). Es gilt der Grundsatz der Nachlasseinheit. Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz im Ausland untersteht grundsätzlich dem Recht, auf welches das Kollisionsrecht des Wohnsitzstaates verweist (Art. 90 Abs. 2 Satz 1 nIPRG). Legt dieses das anwendbare materielle Recht nicht fest, sondern verweist es auf das schweizerische Kollisionsrecht zurück, ist das materielle Erbrecht des Wohnsitzstaates anzuwenden (Art. 90 Abs. 2 Satz 2 nIPRG). Falls nach Art. 87 Abs. 1 nIPRG die schweizerischen Gerichte/Behörden am Heimatort eines Schweizer Bürgers zuständig sind (Wohnsitz im Ausland, keine gültige Rechtswahl), untersteht der Nachlass schweizerischem Recht (Art. 90 Abs. 3 nIPRG).
Rz. 24
Gemäß Art. 91 Abs. 1 Satz 1 nIPRG kann eine Person ihren Nachlass dem Recht eines ihrer Heimatstaaten unterstellen und also eine Rechtswahl (sog. professio iuris) treffen. Neben der Verfügungsfähigkeit des Erblassers ist Voraussetzung für eine gültige Rechtswahl, dass diese sich mit genügender Deutlichkeit aus einer formgültigen Verfügung von Todes wegen ergibt. Die Wahl des Heimatrechts nach Art. 91 Abs. 1 nIPRG hat sich infolge des Grundsatzes der Nachlasseinheit auf den gesamten Nachlass zu beziehen (Verbot der Teilrechtswahl). Die entsprechende Staatsangehörigkeit muss entweder im Verfügungszeitpunkt oder im Zeitpunkt des Todes gegeben sein (Art. 91 Abs. 1 Satz 2 IPRG). Keinen Einfluss hat eine professio iuris auf das Eröffnungsstatut; diesbezüglich sieht das Gesetz keine Rechtswahlmöglichkeit vor, sondern lässt immer die lex fori zur Anwendung kommen. Eine Rechtswahl ist für den Erblasser namentlich dann interessant, wenn ihm das Heimatrecht eine größere Verfügungsfreiheit einräumt als das Wohnsitzrecht. Zu beachten ist, dass diese Rechtswahlmöglichkeit neu auch für Schweizer Doppel- und Mehrfachbürger gilt, allerdings mit einem wichtigen Vorbehalt: Die Bestimmungen des schweizerischen Rechts über die Verfügungsfreiheit (Pflichtteilsrecht, vgl. Rdn 112 ff.) können von Schweizer Bürgern nicht abbedingt werden (Art. 91 Abs. 1 Satz 3 nIPRG). Dies bedeutet, dass – selbst wenn ein ausländisches Heimatrecht gewählt wurde – sich die zulässige Verfügungsfreiheit bei Schweizern mit Wohnsitz in der Schweiz stets nach Schweizer Recht beurteilt. Diese Lösung vermag im Ergebnis nicht gänzlich zu überzeugen, zumal es zu einem Ineinandergreifen zwischen dem anwendbaren ausländischen Erbrecht und dem Schweizer Pflichtteilsrecht kommt, woraus sich in der Praxis zahlreiche komplexe Fragen ergeben dürften, auf die weder das Gesetz noch die Materialien eine Antwort geben. Im Lichte der EuErbVO dürfte eine professio iuris aus Überlegungen der Rechtssicherheit häufig sinnvoll sein. Dabei sollte beachtet werden, dass eine Rechtswahl unter Schweizer Kollisionsrecht zu einem Auseinanderfallen sowohl der Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts als auch des Erb- und Güterrechts führen kann. Um den Gleichlauf von ius und forum sicherzustellen, sollte der Erblasser daher neben der ausländischen Rechtswahl auch eine Wahl zugunsten der ausländischen Zuständigkeit in Erwägung ziehen (Art. 88b nIPRG). Außerdem sollte auch eine Rechtswahl in Bezug auf das anwendbare Ehegüterrecht geprüft werden.
Rz. 25
Im Ausland wohnhafte Schweizer können im Sinne einer Teilzuständigkeits- bzw. -rechtswahl auch bloß den in der Schweiz belegenen Nachlass dem Schweizer Erbrecht unterstellen (Art. 87 Abs. 2 nIPRG; Art. 91 Abs. 2 nIPRG).
Wenn ein Schweizer Bürger seinen Nachlass ganz oder teilweise der schweizerischen (Heimat-) Zuständigkeit unterstellt (Art. 87 Abs. 2 nIPRG), so gilt dies nach Art. 91 Abs. 2 nIPRG auch als Unterstellung unter das schweizerische Recht, außer es wurde etwas Gegenteiliges angeordnet. Weiter hält Art. 91 Abs. 3 nIPRG ausdrücklich fest, dass eine Teilrechtswahl nur zulässig ist, wenn damit in der Schweiz gelegenes Vermögen dem schweizerischen Recht unterstellt wird und dies mit einer Unterstellung derselben Vermögenswerte unter die schweizerische Zuständigkeit verbunden ist oder eine solche zur Folge hat. Dadurch kann ein Schweizer Staatsangehöriger entweder direkt oder indirekt (schweizerische Zuständigkeit, vgl. Art. 91 Abs. 2 nIPRG) eine auf in der Schweiz gelegene Vermögenswerte beschränkte Rechtswahl treffen.