Prof. Dr. Stephan Wolf, Bettina Spichiger
1. Obligatorische Ziviltrauung
Rz. 1
In der Schweiz kann eine zivilrechtlich wirksame Ehe nur vor dem Standesamt geschlossen werden. Die Ausschließlichkeit der Ziviltrauung steht einer religiösen Eheschließung aber nur insofern entgegen, als eine solche nicht vor der Ziviltrauung durchgeführt werden darf (Art. 97 Abs. 3 ZGB).
2. Verlöbnis
Rz. 2
Der Eheschließung geht das Verlöbnis voraus. Die h.L. unterscheidet – in Übereinstimmung mit Wortlaut und Norminhalt von Art. 90 und 91 ZGB – zwischen der Verlobung als dem formfreien, durch das gegenseitige Eheversprechen zustande kommenden Vertrag und dem Verlöbnis als dem dadurch begründeten familienrechtlichen Status. Unter Vorbehalt der nachfolgenden Eheschliessung oder seiner Auflösung durch Tod besteht das Verlöbnis so lange, als der Konsens der Verlobten, miteinander eine Ehe eingehen zu wollen, aufrecht bleibt. Aus dem Verlöbnis entsteht kein klagbarer Anspruch auf Eingehung der Ehe (Art. 90 Abs. 3 ZGB, Naturalobligation). Die Nichterfüllung der Hauptleistungspflicht begründet aber den gegenseitigen Anspruch auf Rückerstattung der Geschenke (Art. 91 ZGB) sowie unter bestimmten Voraussetzungen den Anspruch des verletzten Partners auf Schadensersatz (Art. 92 ZGB). Eine Genugtuung (Art. 49 OR) ist nur dann geschuldet, wenn die Umstände des Verlöbnisbruches eine schwere Persönlichkeitsverletzung i.S.v. Art. 28 ZGB darstellen. Verlobte sind einander "nahe verbundene Personen" bzw. "Angehörige" i.S.v. diversen Bestimmungen des ZGB und des OR. Wird das Verlöbnis durch Tod aufgelöst, hätte eine Heirat ohne dieses Ereignis aber sehr wahrscheinlich stattgefunden, wird den Verlobten bei gegebenen Voraussetzungen zudem die Versorgereigenschaft gem. Art. 45 Abs. 3 OR zuerkannt.
3. Persönliche Voraussetzungen
a) Ehefähigkeit
Rz. 3
Die Ehe kann nur eingehen, wer das 18. Lebensjahr vollendet und damit die Ehevolljährigkeit erlangt hat (Art. 94 Abs. 1 ZGB). Seit dem 1.1.1996 kennt das ZGB keine behördliche Ehemündigerklärung vor Erreichung des ordentlichen Ehevolljährigkeitsalters mehr. Das Erfordernis der Vollendung des 18. Altersjahrs gilt somit – anders als im deutschen Recht (vgl. § 1303 BGB) – ausnahmslos. Zudem müssen die Brautleute urteilsfähig sein. Urteilsfähigkeit i.S.v. Art. 94 Abs. 1 ZGB ist gegeben, "wenn die Verlobten in der Lage sind, das Wesen der Ehe und die den Ehegatten daraus erwachsenden Rechte und Pflichten zu erkennen und sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten". Seit dem 1.1.2013 können urteilsfähige Personen unter umfassender Beistandschaft ohne Zustimmung des Beistands heiraten (Abs. 2 des Art. 94 ZGB wurde gestrichen).
b) Keine Ehehindernisse
Rz. 4
Die Eheschließung zwischen Verwandten in gerader Linie (vgl. Art. 20 Abs. 2 ZGB) und zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern ist unzulässig. Ob die Verwandtschaft auf Abstammung oder Adoption beruht, spielt keine Rolle (Art. 95 Abs. 1 ZGB). Für Personen, die vor dem 1.4.1973 adoptiert worden sind, gilt weiterhin das eingeschränkte Eheverbot von altArt. 100 Ziff. 3 ZGB, sofern die Adoption nicht dem neuen Recht unterstellt worden ist (Art. 12a und 12b SchlT ZGB). Seit dem 1.1.2006 ist in der Schweiz auch eine Ehe zwischen Stiefelternteil und Stiefkind zulässig (Ziff. 2 von Abs. 1 des Art. 95 ZGB wurde gestrichen). Mehrfachehen sind dem schweizerischen Recht fremd. Wer eine neue Ehe eingehen will, hat daher den Nachweis zu erbringen, dass die frühere Ehe für ungültig erklärt oder aufgelöst worden ist (Art. 96 ZGB). Die Ehe können nur zwei Personen verschiedenen Geschlechts eingehen. Die derzeit hängige parlamentarische Initiative "Ehe für alle" vom 5.12.2013 schlägt die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare vor. Für gleichgeschlechtliche Partner besteht seit dem 1.1.2007 die Möglichkeit, ihre Partnerschaft ...