Prof. Dr. Stephan Wolf, Andrea Dorjee-Good
1. Übersicht
Rz. 214
Die Steuerhoheit für die Erbschafts- und Schenkungssteuern liegt bei den Kantonen. Der Bund ist zu deren Erhebung nicht befugt. Damit gelten in der Schweiz hinsichtlich der Erbschafts- und Schenkungssteuern 26 verschiedene kantonale Regelungen.
Rz. 215
Innerhalb des jeweiligen Kantons wird die Steuerhoheit vom Kanton selbst ausgeübt, wobei die Gemeinden teilweise am Ertrag der Steuer beteiligt sind oder ausnahmsweise selbst Besteuerungsbefugnisse haben. Im interkantonalen Verhältnis steht die Steuerhoheit grundsätzlich dem Wohnsitzkanton des Erblassers bzw. des Schenkers zu. Vorbehalten ist jedoch der Übergang von unbeweglichem Vermögen, welches im Kanton besteuert wird, in dem es liegt.
Rz. 216
Angesichts der Vielzahl der gesetzlichen Grundlagen und der kantonalen Unterschiede können die nachfolgenden Ausführungen lediglich einen groben Überblick über die Grundzüge der Erbschafts- und Schenkungssteuer schaffen. Einzelheiten müssen im konkreten Fall vor dem Hintergrund jederzeit möglicher Gesetzesänderungen unter allen Umständen auf ihre Aktualität überprüft werden. Die Kantone Schwyz und Obwalden kennen weder eine Erbschafts- noch eine Schenkungssteuer, während im Kanton Luzern grundsätzlich keine Schenkungssteuer erhoben wird. Ansonsten besteuern alle Kantone sowohl Erbschaften als auch Schenkungen.
2. Konzeption der Erbschaftssteuer
Rz. 217
Die Besteuerung der Erbschaften kann entweder als Erbanfall- oder als Nachlasssteuer oder durch eine Kumulation der beiden Steuerarten erfolgen. Die Erbanfallsteuer wird auf dem Erbteil jedes Erben individuell erhoben und nicht auf dem Nachlass insgesamt. Dies erlaubt eine Bemessung nach der Höhe der einzelnen Erbanfälle/Vermächtnisse sowie eine Abstufung nach dem Verwandtschaftsgrad. Die Nachlasssteuer wird demgegenüber vom gesamten Wert des Nachlasses berechnet, ohne Rücksicht auf die Zahl der Erben und das Verwandtschaftsverhältnis.
Rz. 218
Inzwischen besteuern alle Kantone Erbanfälle mit einer Erbanfallsteuer. Einzig im Kanton Solothurn wird eine Nachlasssteuer kumulativ zur Erbanfallsteuer erhoben. Der Kanton Graubünden erhob bisher eine reine Nachlasssteuer, wechselte jedoch per 1.1.2021 ebenfalls zum Prinzip der Erbanfallsteuer.
3. Steuerobjekt
a) Erbschaftssteuer
Rz. 219
Gegenstand der Erbschaftssteuer sind die von Todes wegen erfolgenden Vermögensübergänge. Darunter fallen die Vermögensübertragungen aufgrund der gesetzlichen Erbfolge bzw. aufgrund einer Verfügung von Todes wegen. Da die jeweilige kantonale Gesetzgebung über die Begriffsauslegung bestimmt, können zusätzlich auch andere mit dem Tod zusammenhängende Tatbestände der Erbschaftssteuer unterliegen. Dies ist z.B. für Zuwendungen von infolge Todes fällig werdenden Versicherungsleistungen, für Vorempfänge auf Rechnung zukünftiger Erbschaft oder für Zuwendungen durch den Erlass von privaten Schulden gegenüber einem solventen Schuldner denkbar.
b) Schenkungssteuer
Rz. 220
Die meisten kantonalen Gesetze kennen eigenständige Umschreibungen des Gegenstandes der Schenkungssteuer. Obwohl demzufolge der Schenkungsbegriff des Zivilrechts nicht ohne weiteres maßgebend ist, werden auch für den steuerrechtlichen Schenkungstatbestand die Elemente der Vermögenszuwendung und der (teilweisen) Unentgeltlichkeit durchwegs vorausgesetzt. Demgegenüber ist die Notwendigkeit des Schenkungswillens umstritten und wird nicht von allen Kantonen vorausgesetzt.
Rz. 221
Soweit für die vorliegende Thematik von Bedeutung, werden in der Mehrzahl der Kantone Zuwendungen aus Erbauskauf...