Prof. Dr. Stephan Wolf, Bettina Spichiger
1. Rechtsquellen
Rz. 9
Das Recht der Eheschließung ist vom Anwendungsbereich des LugÜ ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 lit. a LugÜ). Demnach bestimmen sich die internationale Zuständigkeit, das anwendbare Recht und die Anerkennung im Ausland geschlossener Ehen nach dem IPRG. Zu beachten sind weiter das Übereinkommen über die Ausstellung von Ehefähigkeitszeugnissen sowie die bilateralen Abkommen mit Deutschland, Italien und Österreich betreffend den Austausch von Eheurkunden und die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen. Das IPRG kennt weder Bestimmungen über das Verlöbnis noch solche über die Eheungültigkeit. Mit der Frage, wie diese Lücken zu schließen seien, hatte sich das Bundesgericht bisher nicht zu befassen und in der Doktrin werden dazu verschiedene Auffassungen vertreten.
2. Zuständigkeit
a) Ordentliche Zuständigkeit
Rz. 10
Sofern die Braut oder der Bräutigam in der Schweiz Wohnsitz oder das Schweizer Bürgerrecht hat, sind die schweizerischen Behörden für die Eheschließung zuständig (Art. 43 Abs. 1 IPRG). Gestützt auf Art. 23 Abs. 1 IPRG ist die Eheschließung in der Schweiz demnach sogar dann zulässig, wenn einer der Verlobten schweizerisch-ausländischer Doppelbürger mit Wohnsitz im Ausland ist und hinsichtlich des anderen Verlobten keiner der Anknüpfungspunkte von Art. 43 Abs. 1 IPRG (Wohnsitz/Schweizer Bürgerrecht) greift.
b) Erweiterte Zuständigkeit
Rz. 11
Sind beide Brautleute ausländische Staatsangehörige und hat weder die Braut noch der Bräutigam einen Wohnsitz in der Schweiz, erweitert Art. 43 Abs. 2 IPRG die schweizerische Eheschließungszuständigkeit unter der Voraussetzung, dass die Ehe im Wohnsitz- oder Heimatstaat beider Brautleute anerkannt wird. Art. 43 Abs. 2 IPRG ist als Kann-Vorschrift ausgestaltet. Die Bestimmung begründet deshalb selbst dann keinen Rechtsanspruch der Brautleute, wenn die erforderliche(n) Anerkennungserklärung(en) vorliegt/en. Die erweiterte schweizerische Eheschließungszuständigkeit wird in der Praxis höchst selten in Anspruch genommen und bleibt i.d.R. Touristenehen vorbehalten. Weil Art. 20 Abs. 2 IPRG für Personen, die weder in der Schweiz noch im Ausland einen Wohnsitz haben, den gewöhnlichen Aufenthalt an die Stelle des Wohnsitzes treten lässt, dürften auch die in der Literatur ebenfalls genannten Flüchtlinge ohne festes Lebenszentrum in der Schweiz nur in Ausnahmefällen auf Art. 43 Abs. 2 IPRG angewiesen sein.
3. Anwendbares Recht
Rz. 12
Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen (siehe hierzu Rdn 3 f.) sowie die Form einer in der Schweiz beabsichtigten Eheschließung unterstehen dem schweizerischen Recht (Art. 44 IPRG).
4. Anerkennung im Ausland geschlossener Ehen
a) Vorbemerkung zur Anerkennung nach schweizerischem IPR
Rz. 13
Eine im Ausland ergangene Entscheidung wird gestützt auf Art. 25 IPRG in der Schweiz anerkannt, wenn sie von einer zuständigen Behörde ausgesprochen wurde (lit. a), wenn gegen die Entscheidung kein ordentliches Rechtsmittel mehr geltend gemacht werden kann oder wenn sie endgültig ist (lit. b) und wenn kein Verweigerungsgrund i.S.v. Art. 27 IPRG gegeben ist (lit. c). Ob die Spruchbehörde zum Erlass der Entscheidung zuständig war, bestimmt sich nach Maßgabe von Art. 26 IPRG. Gestützt auf diese Bestimmung ist die Zuständigkeit i.S.v. Art. 25 lit. a IPRG begründet,
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wenn eine Bestimmung des Besonderen Teils des IPRG sie vorsieht (lit. a, erster Satzteil); |
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wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Urteilsstaat hatte (lit. a, zweiter Satzteil); |
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wenn die Zuständigkeit auf einer gültigen Gerichtsstandsvereinbarung beruht (lit. b); |
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wenn sich der Beklagte eingelassen hat (lit. c); oder |
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wenn im Falle einer konnexen Widerklage die Zuständigkeit zur Beurteilung der Hauptklage begründet war (lit. d). |
Rz. 14
Sämtliche in diesem Beitrag unter dem Titel der Anerkennung ausländischer Entscheidungen gemachten Ausführungen sind im Zusammenhang mit den erwähnten, in den Art. 25–27 IPRG statuierten generellen Anerkennungsvoraussetzungen zu lesen. Die spezifischen Ausführungen zur Anerkennung beziehen sich daher jeweils nur noch auf Art. 25 lit. a i.V.m. Art. 26 lit. a, erster Satzteil IPRG. Sie beschränken sich m.a.W. auf die Darstellung d...