Prof. Dr. Stephan Wolf, Bettina Spichiger
1. Zuständigkeit
a) Nach vereinheitlichtem Recht
Rz. 59
Die Zuständigkeit für die Kindesbelange – namentlich für Anordnungen der Kinderzuteilung, für die Regelung des Besuchsrechts und für sämtliche weiteren Kindesschutzmaßnahmen (vgl. Art. 176 Abs. 3 ZGB) – richtet sich zwingend nach den Bestimmungen des Haager Übereinkommens vom 19.10.1996 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (Art. 85 IPRG). Dadurch wird die Zuständigkeit für Kindesbelange einerseits und für andere Folgen der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts andererseits u.U. aufgespalten. Im Verhältnis zu den übrigen Konventionsstaaten des LugÜ richtet sich die Zuständigkeit für Unterhaltsstreitigkeiten (Ehegatten- und Kindesunterhalt) nach dem LugÜ; dies gilt auch dann, wenn die Unterhaltsstreitigkeit nur eine von mehreren Eheschutzmaßnahmen bildet.
b) Nach autonomem IPR
Rz. 60
Gemäß Art. 46 IPRG sind für Klagen oder Maßnahmen betreffend die ehelichen Rechte und Pflichten die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Wohnsitz oder, mangels eines solchen, diejenigen am gewöhnlichen Aufenthalt eines der Ehegatten zuständig. Ist wenigstens einer der Ehegatten Schweizer Bürger und ein Verfahren im Ausland unmöglich oder unzumutbar, sieht Art. 47 IPRG subsidiär eine Heimatzuständigkeit an dessen Heimatort vor. Die Subsidiarität der Heimatzuständigkeit hat zur Folge, dass der im Ausland lebende Ehegatte seinen Heimatrichter nur unter der Voraussetzung anrufen kann, dass der andere Ehegatte nicht selbst über einen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz verfügt. Weil das IPRG die aus der Ehe fließenden Rechte und Pflichten grundsätzlich im Zusammenhang mit der sich konkret stellenden Rechtsfrage anknüpft, gilt diese Zuständigkeitsordnung an sich nur für die persönlichen Ehewirkungen im engeren Sinn. Für die übrigen dargestellten Ehefolgen (siehe Rdn 17–53), über die im Streitfall regelmäßig im Rahmen von Eheschutzmaßnahmen zu entscheiden ist, bleibt Art. 46 IPRG aber grundsätzlich auch maßgebend. Folgende Besonderheiten sind allerdings zu beachten: Wird eine Auskunftserteilung (Art. 170 ZGB) in einem anderen Verfahren (z.B. einem Ehescheidungsverfahren) verlangt, richtet sich die Zuständigkeit nach den dafür maßgebenden Bestimmungen. Muss über eine Maßnahme vorfrageweise entschieden werden, folgt die Zuständigkeit der Hauptsache.
Rz. 61
Für den (Familien-)Namen gilt eine Sonderanknüpfung: Er ist den namensrechtlichen Bestimmungen von Art. 37 ff. IPRG unterstellt. Für das Gesuch der Ehegatten um Namensänderung sind die schweizerischen Behörden am Wohnsitz des Gesuchstellers zuständig (Art. 38 Abs. 1 IPRG). Hat eine Person nirgends einen Wohnsitz, ist gem. Art. 20 Abs. 2 IPRG stattdessen ihr gewöhnlicher Aufenthalt entscheidend. Auslandschweizern wird zudem ein Heimatgerichtsstand zur Verfügung gestellt (Art. 38 Abs. 2 IPRG). Für das von den Ehegatten gemeinsam einzureichende Gesuch um Namensänderung genügt es zur Begründung einer schweizerischen Zuständigkeit, wenn nur einer der Ehegatten Wohnsitz bzw. Aufenthalt in der Schweiz hat oder Schweizer Bürger ist.
2. Anwendbares Recht
Rz. 62
Für die Schweiz als Nichtmitgliedstaat der Europäischen Union haben die EU-Güterrechtsverordnungen (EUGüVO und E...