Alex Schindler, Gian Andri Töndury
I. Sitztheorie versus Gründungstheorie
Rz. 181
Die Schweiz folgt der Gründungstheorie und legt diese sehr weit aus: Gesellschaften unterstehen dem Recht des Staates, nach dessen Vorschriften sie organisiert sind, wenn sie die Publizitäts- oder Registrierungsvorschriften dieses Rechts erfüllen oder, falls solche Vorschriften nicht bestehen, wenn sie sich nach dem Recht dieses Staates organisiert haben. Erfüllt eine Gesellschaft diese Voraussetzungen nicht, so untersteht sie dem Recht des Staates, in dem sie tatsächlich verwaltet wird (Art. 154 IPRG). Eine einmal rechtswirksam gegründete Gesellschaft kann unter den nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen ihren statutarischen bzw. tatsächlichen Sitz in ein anderes Land verlegen, ohne liquidiert und neu gegründet werden zu müssen.
II. Internationale Sitzverlegung (Verlegung des statutarischen Sitzes)
1. Immigration (Art. 161 IPRG)
Rz. 182
Eine ausländische Gesellschaft kann sich ohne Liquidation und Neugründung dem schweizerischen Recht unterstellen, wenn das ausländische Recht dies gestattet, die Gesellschaft die Voraussetzungen des ausländischen Rechts erfüllt und die Anpassung an eine schweizerische Rechtsform möglich ist. Die Verlegung des Sitzes in die Schweiz erfordert demnach die Anwendung des ausländischen, wie auch des Schweizer Rechtes. Dabei muss es möglich sein, die ausländische Gesellschaft einer der nach Schweizer Recht zulässigen Gesellschaftsform zuzuordnen. Es ist hingegen nicht erforderlich, dass die ausländische Gesellschaft bereits dem Schweizer Recht angepasst wurde. Ist die Sitzverlegung gestattet, so verlangt das Schweizer Recht bei Kapitalgesellschaften vor Eintragung in das Schweizer Handelsregister einen Bericht eines zugelassenen Revisionsexperten, wonach das Grundkapital nach Schweizer Recht gedeckt ist (Art. 162 Abs. 3 IPRG).
2. Emigration (Art. 163 IPRG)
Rz. 183
Eine Sitzverlegung ins Ausland ist nur möglich, wenn die Gesellschaft nach ausländischem Recht fortbestehen kann und die Voraussetzungen des Schweizer Rechts erfüllt sind. Wichtig ist insbesondere, dass die Interessen der Gläubiger gewahrt bleiben, weshalb ein Schuldenruf in der Schweiz vorausgesetzt wird, d.h. die Gesellschaft muss die Gläubiger unter Hinweis der geplanten Sitzverlegung öffentlich zur Anmeldung ihrer Forderungen auffordern. Die Forderungen müssen sichergestellt werden, wenn die Gläubiger diese zwei Monate nach dem Schuldenruf verlangen. Weist die Gesellschaft nach, dass die Sitzverlegung die Erfüllung der Forderungen nicht gefährdet, so müssen keine Sicherstellungen geleistet werden. Anstatt eine Sicherheit zu leisten, kann die Gesellschaft die Forderungen erfüllen, sofern die anderen Gläubiger nicht geschädigt werden (Art. 163 IPRG i.V.m. Art. 46 Abs. 3 FusG). Die Löschung im schweizerischen Handelsregister erfolgt erst, nachdem ein zugelassener Revisionsexperte bestätigt hat, dass die Forderungen der Gläubiger sichergestellt oder erfüllt worden sind oder aber, dass sämtliche Gläubiger mit der Löschung einverstanden sind.
III. Grenzüberschreitende Fusion
Rz. 184
Eine grenzüberschreitende Fusion ist sowohl vom Ausland in die Schweiz als auch umgekehrt möglich (Art. 163a und 163b IPRG). Ebenso sind grundsätzlich auch grenzüberschreitende Spaltungen und Vermögensübertragungen möglich, dabei finden die Vorschriften der Fusion sinngemäß Anwendung.
1. Immigration (Art. 163a IPRG)
Rz. 185
Eine schweizerische Gesellschaft kann eine ausländische Gesellschaft übernehmen oder sich mit ihr zu einer neuen schweizerischen Gesellschaft zusammenschließen, wenn das auf die ausländische Gesellschaft anwendbare Recht dies gestattet und dessen Voraussetzungen erfüllt sind, im Übrigen untersteht die Fusion dem schweizerischen Recht. Ein Zusammenspiel des ausländischen und inländischen Rechts ist nötig: Lässt das ausländische Recht die Fusion zu, so ist in diesem Rahmen das Recht der übernehmenden Gesellschaft und somit Schweizer Recht auf die Fusion anwendbar. Erlaubt das ausländische Recht zum Beispiel eine erleichterte Fusion und sind die Voraussetzungen von Art. 23 FusG erfüllt, so kann auch eine erleichterte Fusion im internationalen Verhältnis durchgeführt werden.
Rz. 186
Differenziert zu betrachten ist der Übergang von Verträgen in einer grenzüberschreitenden Fusion, denn hier geht man von einer Kumulation der involvierten Rechtsordnungen (z.B. Vertragsstatut, Fusionsstatut) aus.
2. Emigration (Art. 163b IPRG)
Rz. 187
Damit eine Emigrationsfusion nach dem schweizerischen internationalen Privatrecht statthaft ist, müssen sämtliche Aktiven und Passiven auf die ausländische Gesellschaft übergehen und die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte in der ausländischen Gesellschaft angemessen gewahrt werden. Dies hat zur Folge, dass die zum Schutz der Gesellschafter und Gläubiger aufgestellten Bestimmungen des Schweizer Fusionsgesetzes zur Anwendung gelangen. Die Fusion selbst untersteht dem ausländischen internationalen Privatrecht, was wiederum zur Folge hat, dass grundsätzlich beide Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen müssen. Zum Schuldenruf ist hierbei anzumerken, dass dieser vor Vollzug der Fusion zu erfolgen hat, also bevor das Haftungssubstrat ins Ausland übertragen wird.
Rz. 188
Die Löschung im schweizerischen Handelsregister erfolgt ers...