Prof. Dr. Stephan Wolf, Andrea Dorjee-Good
1. Überblick
Rz. 158
Beim Ableben eines verheirateten Erblassers bestehen regelmäßig sowohl ehegüter- als auch erbrechtliche Ansprüche, die voneinander zu unterscheiden sind. Dem Grundsatze nach ist die güterrechtliche Auseinandersetzung zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben vorgängig vorzunehmen, weil erst ihr Ergebnis in die Erbschaft fällt und diese mithin umfangmäßig beeinflusst.
Rz. 159
Gemäß Art. 181 ZGB unterstehen die Ehegatten den Vorschriften über die Errungenschaftsbeteiligung, sofern sie nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbaren oder der außerordentliche Güterstand eingetreten ist. Der Errungenschaftsbeteiligung (Art. 196 ff. ZGB) kommt somit nach dem Willen des Gesetzgebers die Funktion des subsidiären ordentlichen Güterstandes zu, welcher für den Regelfall fehlender Dispositionen der Ehegatten zur Anwendung gelangt.
Rz. 160
Ehevertraglich können die Ehegatten den Güterstand der Gütergemeinschaft (Art. 221 ff. ZGB) oder denjenigen der Gütertrennung (Art. 247 ff. ZGB) vereinbaren. Weiter können die Ehegatten im Rahmen des gesetzlich Zulässigen auch modifizierend in einen Teilbereich der gewählten güterrechtlichen Ordnung eingreifen. Beide Einsatzmöglichkeiten des Ehevertrages bestehen sowohl bei der Begründung als auch während der Dauer des Güterstandes (Art. 182 Abs. 1 ZGB).
Rz. 161
Ist die Ehe in wirtschaftlicher Hinsicht gefährdet oder sind die wirtschaftlichen Interessen des einen Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten – allenfalls zusammen mit Gläubigerinteressen – zu schützen, tritt von Gesetzes wegen (vgl. Art. 188 ZGB) oder auf gerichtliche Anordnung hin (vgl. Art. 185 und 189 ZGB) die Gütertrennung ein. Der Gütertrennung kommt demnach der Charakter sowohl eines vertraglichen als auch eines außerordentlichen Güterstandes zu. Diese Unterscheidung bleibt aber in materieller Hinsicht grundsätzlich bedeutungslos; unterschiedlich geregelt sind einzig die Möglichkeiten der Aufhebung des Güterstandes.
Rz. 162
Übergangsrechtlich sind die Art. 9a ff. SchlT ZGB zu beachten. Demnach unterstehen die Ehegatten weiterhin dem bis zum 31.12.1987 in Kraft gestandenen subsidiären ordentlichen Güterstand der Güterverbindung, wenn sie unter altem Recht eine ehevertragliche Änderung vorgenommen (Art. 10 SchlT ZGB) und bis am 31.12.1988 nicht vereinbart haben, sich dem neuen ordentlichen Güterstand zu unterstellen (Art. 10b SchlT ZGB), oder wenn sie bis zu diesem Datum eine Beibehaltungserklärung abgegeben haben (Art. 9e SchlT ZGB).
2. Errungenschaftsbeteiligung
Rz. 163
Die Errungenschaftsbeteiligung kennt kein eheliches Vermögen, das in besonderer Weise in den Dienst der ehelichen Gemeinschaft gestellt ist bzw. beiden Ehegatten gemeinsam gehört. Vielmehr sind je zwei getrennte Gütermassen jedes Ehegatten zu unterscheiden: die Errungenschaft (Art. 197 ZGB) und das Eigengut (Art. 198 f. ZGB). Die zu diesen Gütermassen gehörenden Vermögenswerte kann grundsätzlich jeder Ehegatte selbstständig nutzen, verwalten und zum Verfügungsgegenstand machen (Art. 201 ZGB). Für seine Schulden haftet gem. Art. 202 ZGB jeder Ehegatte mit seinem gesamten Vermögen. Die Errungenschaftsbeteiligung führt also weder zu einer Haftungsbeschränkung noch zu einer Mithaftung des anderen Ehegatten. Ein Eingreifen eherechtlicher Art des einen Ehegatten in das Vermögen des anderen ergibt sich allenfalls aufgrund der Vertretung der ehelichen Gemeinschaft, welche die solidarische Mithaftung des anderen Ehegatten auslöst (Art. 166 ZGB).
Rz. 164
Kommt es zur Auflösung des Güterstandes (Art. 204 ZGB), steht im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung aufgrund der dispositiven gesetzlichen Regelung jedem Ehegatten oder seinen Erben die Hälfte des Vorschlags des anderen (Art. 215 ZGB) zu. Der Vorschlag stellt den positiven Saldo der Errungenschaft dar. An einem allfälligen Negativsaldo der Errungenschaft, dem sog. Rückschlag, partizipieren dagegen der andere Ehegatte bzw. seine Erben nicht (Art. 210 Abs. 2 ZGB).
3. Gütergemeinschaft
Rz. 165
Für die Gütergemeinschaft kennzeichnend ist das unter den Bestimmungen über das Gesamteigentum stehende Gesamtgut der Ehegatten (Art. 222–224 ZGB). Die gemeinschaftliche Berechtigung der Ehegatten an einem Teil der Einkünfte und des Vermögens führt zu einer materiellen Gleichstellung der Ehepartner in vermögensrechtlicher Hinsicht und bringt damit die Idee der Ehe als engster Lebens- und Schicksalsgemeinschaft auch in diesem Bereich zum Ausdruck. Daneben verfügt jeder Ehegatte über ein als Sonderverm...