Rz. 69
Der überlebende Ehegatte hat die Stellung eines gesetzlichen Erben. Seine Erbquote ist davon abhängig, mit wem er die Erbschaft teilen muss. Sind auch Nachkommen zur Erbfolge berufen, umfasst der Erbanteil des überlebenden Ehegatten die Hälfte des Nachlasses. Muss er mit Erben des elterlichen Stammes teilen, erhöht sich die Quote auf Dreiviertel des Nachlasses. Sind weder Erben der ersten noch solche der zweiten Parentel vorhanden, erstreckt sich der Erbanspruch des überlebenden Ehegatten auf den gesamten Nachlass (Art. 462 ZGB). Der gesetzliche Erbanteil des überlebenden Ehegatten ist zudem im Umfang von einem Zweitel pflichtteilsgeschützt (Art. 471 Ziff. 3 ZGB). Diese gebundene Quote ist einer Verfügung des Erblassers entzogen.[118][119]
Rz. 70
Im Falle einer Scheidung erlischt das gegenseitige Erbrecht der Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils.[120] Haben die Ehegatten vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens Verfügungen von Todes wegen errichtet, können sie daraus keine Ansprüche ableiten (Art. 120 Abs. 2 ZGB).[121] Das Gesetz geht somit von der Vermutung aus, dass erbrechtliche Anordnungen zwischen Ehegatten den Bestand der Ehe zur Bedingung machen. Im Falle einer anders lautenden Anordnung sind die erbrechtlichen Verfügungen aber zu beachten; die fragliche Bestimmung ist m.a.W. nicht zwingender Natur.[122] Indem Art. 120 Abs. 2 ZGB seinen Geltungsbereich ausdrücklich auf vor der Anhängigmachung des Scheidungsverfahrens errichtete Verfügungen von Todes wegen beschränkt, wird den einvernehmlich scheidenden Ehegatten im Rahmen der Scheidungsfolgen ein zusätzliches Gestaltungsmittel belassen.[123]
Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen