Prof. Dr. Stephan Wolf, Bettina Spichiger
1. Zuständigkeit
Rz. 136
Im Verhältnis zu den Signatarstaaten des LugÜ richtet sich die Zuständigkeit zur Beurteilung des Ehegatten- und Kindesunterhalts nach Art. 5 Abs. 2 LugÜ. Die Zuständigkeit für die Regelung des Sorge- und Besuchsrechts hinsichtlich der Kinder ergibt sich aus den Bestimmungen des Haager Übereinkommens vom 19.10.1996 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (Art. 85 IPRG). Im Übrigen beurteilt das mit dem Begehren bzw. mit der Klage auf Scheidung befasste schweizerische Gericht auch die Regelung der Nebenfolgen der Scheidung (Art. 63 Abs. 1 IPRG; vgl. auch Art. 51 lit. b IPRG).
2. Anwendbares Recht
Rz. 137
Das auf die Scheidung anwendbare Recht (vgl. Rdn 103) ist insoweit auch für die Nebenfolgen maßgebend, als nicht eines der in Art. 63 Abs. 2 IPRG vorbehaltenen ordentlichen Sachstatute zur Anwendung kommt.
Rz. 138
Eine solche Sonderanknüpfung besteht zunächst für den Namen. Die diesbezüglichen Auswirkungen der Scheidung unterstehen in Anwendung von Art. 37 Abs. 1 IPRG für Geschiedene mit Wohnsitz in der Schweiz dem schweizerischen Recht. Für Geschiedene mit Wohnsitz im Ausland ist dasjenige Recht maßgebend, auf welches das Kollisionsrecht des Wohnsitzstaates verweist. In beiden Fällen ist sodann die Unterstellung unter das Heimatrecht möglich (Art. 37 Abs. 2 IPRG). Will eine geschiedene Person ihren vor der Ehe getragenen Namen wieder annehmen, ist schweizerisches Recht anzuwenden (Art. 38 Abs. 3 IPRG). Das für die güterrechtliche Auseinandersetzung maßgebende Recht sodann bestimmt sich nach Art. 52–57 IPRG (vgl. Rdn 63). Für Unterhaltsansprüche von Ehegatten und Kindern gilt das Haager Übereinkommen vom 2.10.1973 über das auf die Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (Art. 49 und 83 IPRG). Das anwendbare Recht hinsichtlich der Kindesbelange – mit Ausnahme des Unterhalts – richtet sich nach dem Haager Übereinkommen vom 19.10.1996 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (Art. 85 IPRG).
Rz. 139
Für den Ausgleich von Vorsorgeansprüchen gegenüber einer schweizerischen Einrichtung der beruflichen Vorsorge (Art. 122 ff. ZGB) sind die schweizerischen Scheidungsgerichte ausschliesslich zuständig (Art. 63 Abs. 1bis IPRG). Der Ausgleich ausländischer Vorsorgeguthaben wird durch die allgemeine Nebenfolgenzuständigkeit gemäss Art. 63 Abs. 1 IPRG erfasst. Der Vorsorgeausgleich untersteht damit insgesamt dem schweizerischen Recht, unabhängig davon, ob es sich um Ansprüche gegenüber in- oder ausländischen Vorsorgeeinrichtungen handelt. Eine Sonderanknüpfung an das Recht desjenigen Staates, in dem die entsprechende Vorsorgeeinrichtung ihren Sitz hat, ist verworfen worden.
3. Anerkennung ausländischer Entscheidungen
Rz. 140
Ob Art. 65 IPRG (siehe Rdn 104) nur die Anerkennung des Scheidungspunktes oder auch diejenige der Nebenfolgen betrifft, ist in der Lehre kontrovers und vom Bundesgericht offen gelassen worden.