Rz. 80

Gemäß Art. 9 DBG werden die Einkommen der rechtlich und tatsächlich ungetrennten Ehegatten ungeachtet des Güterstandes zusammengerechnet (Faktorenaddition). Konkubinatspaare werden demgegenüber stets individuell veranlagt. Im Bund und in verschiedenen Kantonen führen die Heirat und die dadurch bedingte Addition der Faktoren bei Doppelverdienerehen zu einer Erhöhung der Steuern gegenüber den individualisiert besteuerten Konkubinatspartnern, weshalb man von der sog. Heiratsstrafe spricht. Zwar haben einige Kantone diese Ungleichbehandlung durch eine Kombination von verschiedenen Tarifen und Sozialabzügen und durch ausgeklügelte Splitting- und Teilsplitting-Tarife teilweise beseitigt.[135] Auch der Bund versuchte, die Situation durch verschiedene Massnahmen – etwa in Gestalt eines Doppelverdienerabzuges[136] und in der Gewährung eines Verheiratetenabzuges[137] – zu entschärfen.[138] Die derzeit hängige Reform soll die Heiratsstrafe bei der direkten Bundessteuer beseitigen sowie eine verfassungskonforme und ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung verankern.[139]

 

Rz. 81

Solange die Ehegatten in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, haften sie solidarisch für die Gesamtsteuer. Andernfalls entfällt die Solidarhaftung auch für alle noch offenen Steuerschulden (vgl. Art. 13 DBG). Das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden folgt im Bereich der Ehepaar- und Familienbesteuerung grundsätzlich dem DBG (vgl. Art. 3 Abs. 3 StHG). In den Kantonen gelten somit analoge Regelungen.

 

Rz. 82

Da die Verhältnisse am Ende der Steuerperiode maßgebend sind, werden die Ehegatten bei einer Heirat während der Steuerperiode für die ganze Steuerperiode gemeinsam veranlagt. Im Gegenzug erfolgt eine getrennte Veranlagung für die gesamte Dauer der Steuerperiode, wenn sich die Ehegatten während dieser scheiden lassen oder rechtlich bzw. tatsächlich trennen. Stirbt ein Ehegatte, endet die gemeinsame Veranlagung am Todestag. Ab diesem Zeitpunkt wird der überlebende Ehegatte wiederum individuell besteuert, wobei in der ersten Periode der Individualbesteuerung eine sog. unterjährige Steuerpflicht besteht.[140]

[135] Orlando, TREX, 2011, S. 206 ff., 206.
[136] Vgl. Art. 33 Abs. 2 DBG.
[137] Vgl. Art. 35 Abs. 1 lit. c DBG.
[138] Locher, Kommentar zum DBG – Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 2. Aufl., Basel 2019, Art. 9 DBG Rn 2.
[139] Vgl. dazu die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung) vom 21.3.2018, BBl 2018, 2133 ff., sowie die Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung) vom 14.8.2019, BBl 2019, 5787 ff.
[140] Vgl. Art. 68 und 71 des Steuergesetzes des Kantons Bern (BSG 661.11), abrufbar auf der Website der Bernischen Systematischen Gesetzessammlung: www.sta.be.ch/belex/d/.

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