Leitsatz
Die Parteien stritten sich um die Höhe des von dem Ehemann an die Ehefrau zu zahlenden Trennungsunterhalts und das hierbei aufseiten beider Parteien zugrunde zu legende Einkommen und den zu berücksichtigenden Selbstbehalt des Ehemannes.
Entscheidung
Die Parteien hatten im Jahre 1981 geheiratet und lebten seit Januar 2003 getrennt. Aus ihrer Ehe waren zwei zwischenzeitlich volljährige Söhne hervorgegangen. Ein Scheidungsverfahren war noch nicht anhängig.
Die Ehefrau und Klägerin war auf geringfügiger Basis berufstätig. Der Ehemann arbeitete vollschichtig, fuhr täglich 25 km einfach zu seiner Arbeitsstelle und absolvierte durchschnittlich in der Zeit von April 2006 bis März 2007 192,55 Arbeitsstunden im Monat.
Durch Anerkenntnisurteil vom 11.1.2006 war er verurteilt worden, an die Klägerin monatlichen Ehegattenunterhalt von 267,00 EUR zu zahlen. Seinerzeit bestand noch eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem der Söhne der Parteien, die ab Februar 2006 entfiel.
Daraufhin begehrte die Klägerin ab Juni 2006 erhöhten Unterhalt und berief sich darauf, trotz zahlreicher Bemühungen keine Arbeitsstelle in Vollzeit zu finden. Im Übrigen seien aufseiten des Beklagten dessen frühere Einkünfte zugrunde zu legen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Einkommen zurückgegangen sei.
Das erstinstanzliche Gericht hat den Anträgen der Klägerin teilweise stattgegeben und den Beklagten verurteilt, ab 1.12.2006 monatlich 789,00 EUR an Unterhalt zu zahlen. Bezüglich des Zeitraums vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 hat das FamG aufgrund des eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahrens die Unterbrechung des Rechtsstreits festgestellt.
Gegen das erstinstanzliche Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt und seinen Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.
Sein Rechtsmittel war teilweise erfolgreich.
Hinweis
Das OLG bejahte einen Anspruch der Klägerin auf Trennungsunterhalt und kam zu dem Ergebnis, sie habe sich hinreichend um eine vollschichtige Erwerbstätigkeit bemüht. Ihr Alter, ihre lange Familienphase und ihr nicht zentrumsnah gelegener Wohnort wirkten bei der Suche nach Arbeit ungünstig zusammen. Ihr sei daher kein höheres Einkommen als tatsächlich erzielt zuzurechnen.
Hieraus ergebe sich nahezu zwangsläufig, dass sie erkennen müsse, dass sie die mit erheblichen Verbindlichkeiten belastete Ehewohnung nicht mehr halten könne. Es erscheine evident, dass von einem Gehalt und einem Einkommen auf Geringverdienerbasis nicht Schulden von mehr als 1.000,00 EUR monatlich bedient werden könnten.
Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, im Innenverhältnis für die Schulden nicht zu haften. Sie sei alleinige Nutznießerin der an der Wohnung vorgenommenen Renovierung als Alleineigentümerin, so dass im Innenverhältnis die Schulden insoweit wohl von ihr alleine zu tragen seien und auch über den Unterhalt nicht auf den Beklagten abgewälzt werden könnten. Darüber hinaus habe die Klägerin bei ihrer grundbuchrechtlichen Absicherung der Kredite mitgewirkt. Bei der Unterhaltsberechnung seien jedenfalls die Verbindlichkeiten nicht zu berücksichtigen, soweit sie den Wohnwert überstiegen. Der Anspruch der Klägerin sei allein aus den beiderseits erzielten Einkünften zu berechnen.
Aufseiten der Klägerin sei das im Jahre 2006 erzielte Einkommen für das Jahr 2007 fortzuschreiben. Dies gelte für die Einkünfte des Beklagten nicht. Seine Bruttoeinkünfte hätten sich reduziert, ohne dass Anhaltspunkte dafür vorlägen, wonach dem Beklagten wegen Verstoßes gegen unterhaltsrechtliche Obliegenheiten ein fiktives höheres Einkommen zuzurechnen wäre.
Das OLG ging aufseiten des Beklagten von einem bereinigten Nettoeinkommen von 1.416,73 EUR und einem ihm zustehenden Selbstbehalt von 995,00 EUR gegenüber der Klägerin aus. Sein Selbstbehalt ihr gegenüber liege zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Selbstbehalt. Hieraus errechnete das OLG einen Unterhaltsanspruch der Klägerin in Höhe von 422,00 EUR. Eine Angemessenheitsprüfung habe ergeben, dass vorliegend kein Anlass bestehe, den Erwerbsanreiz des Beklagten zu kürzen oder vollständig heranzuziehen.
Er arbeite in erheblicher Weise über das übliche Maß von 173 Stunden im Monat hinaus, stellenweise überschreite er diese übliche Arbeitszeit um 20 %. Die Klägerin ihrerseits arbeite auf Geringverdienerbasis, damit erheblich unterdurchschnittlich. Ihr bleibe ausreichend Zeit, um sich um ihren Haushalt zu kümmern und sich von der Arbeit zu erholen, während dem Beklagten hierfür deutlich weniger Zeit bleibe. Bei einem Vergleich der beiderseitigen Erwerbs- und Lebenssituationen wäre es unbillig, den Beklagten auf den Selbstbehalt zu verweisen und den Verdienervorwegabzug für Unterhalt heranzuziehen. Hinzu komme, dass die dem Beklagten tatsächlich entstehenden Fahrtkosten höher sein dürften als die in die Berechnung eingestellten 5 %.
Link zur Entscheidung
OLG Stuttgart, Urteil vom 16.05.2007, 15 UF 63/07