Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Rechtswegzuständigkeit beim Streit über die Höhe einer Zuweisung an eine Gemeinde als Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit der Gewährung von Grundsicherungsleistungen
Orientierungssatz
Für Streitigkeiten zwischen einem Land und den Gemeinden als Träger der Kosten der Unterkunft im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende über die Höhe einer Zuweisung als Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit der Gewährung von Grundsicherungsleistungen ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten und nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet, da es sich insoweit nicht um eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende handelt.
Tenor
Das Sozialgericht Aachen erklärt den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig und verweist den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 17a Absatz 2 Gerichtsverfassungsgericht (GVG) an das § 40 Abs. 1 Satz 1, § 52 Nr. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zuständige Verwaltungsgericht Aachen. Die Streitwert- und Kostenentscheidung bleiben dem zuständigen Verwaltungsgericht vorbehalten.
Gründe
I.
Am 10.04.2015 hat der Klage vor dem Sozialgericht Aachen erhoben und beantragt, den Bescheid vom 20.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015 über die Zuweisung gemäß § 7 Abs. 3 und 4 AG-SGB II für das Jahr 2010 aufzuheben sowie über die Höhe der Verteilung der Wohngeldersparnis neu zu entscheiden.
Mit der Eingangsverfügung hat der Kammervorsitzende darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte bestehen. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Mit Schreiben vom 29.05.2015 hat der Kammervorsitzende den Beteiligten mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht Aachen zu verweisen. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.06.2015 gegeben worden.
Mit Schriftsatz vom 11.06.2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ausgeführt, er halte sehr wohl den Sozialrechtsweg zu zulässig. Der Begriff der Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchendes im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG sei weit auszulegen. Die gesamte Verwaltungstätigkeit auch außerhalb der unmittelbaren Leistungsverwaltung zähle zu den "Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende" im Sinne der Norm. Dies sei für die Festsetzung eines Landeszuschuss zu den Kosten der kommunalen Trägern für Leistungen für Unterkunft und Heizung (Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25.02.2010 - L 7 SF 2/09) sowie für einen Schadenersatzanspruch des Bundes gegen ein Land in engem sachlichen Zusammenhang mit einer Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II (Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL) entschieden worden. Auch das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen habe in einem Beschluss vom 11.07.2013 entschieden, dass der Sozialrechtsweg für alle Streitigkeiten, die mit der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II in Zusammenhang stehen, eröffnet sei (L 7 AS 685/13 B). Zwar basiere der streitgegenständliche Bescheid auf Normen des AG-SGB II NRW und nicht unmittelbar auf den Vorschriften des SGB II. Dies sei aber auch nicht erforderlich. Vielmehr sei darauf abzustellen, ob die Maßnahme einen engen sachlichen Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II habe. Dies sei vorliegend der Fall. Das Land gewähre den Kommunen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, mit dem die Zusammenführung der Leistungen der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe mit Wirkung vom 01.01.2005 zur Grundsicherung für Arbeitsuchende erfolgt sei, nach Maßgabe von § 7 AG-SGB II NRW. Aufgrund dessen hätten sich für die Kommunen im Vergleich zu früher in unterschiedlichem Maße teilweise erhebliche Be- oder auch Entlastungen bei den zu erbringenden Leistungen ergeben. Zum Ausgleich dieser Finanzverschiebungen beteilige sich seither der Bund gemäß § 46 Abs. 5 SGB II an den Aufwendungen der kommunalen Träger für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II. Im Zusammenhang mit Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt sei auch eine Reform des Wohngeldrechts erfolgt, die zu einer Reduzierung der Landesausgaben für das Wohngeld geführt habe. Die daraus resultierenden Entlastungen sollten dauerhaft den Kommunen zu Gute kommen. Dies setze § 7 AG-SGB II NRW um. Diese Umsetzung sei ursprünglich in § 46 Abs. 5 SGB II vorausgesetzt worden, weil dort auf die Berücksichtigung der "Einsparungen der Länder" verwiesen worden sei (BT-Drucks. 15/3495, S. 4). Auch die ursprüngliche Formulierung einer Anlage zu § 46 Abs. 9 SGB II habe ausdrücklich auf "Entlastungen der Länder" durch die Änderung des Wohngeldgesetzes im Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt verwiesen (BT-Dru...