rechtskräftig

 

Tenor

Der Bescheid vom 27. Oktober 1997 und der Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 1998 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der Behandlung der Multiplen Sklerose der Klägerin mit intravenösen Immunglobulinen (Gammaglobulinen) für ein Jahr zu übernehmen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten der Behandlung einer chronisch-progredienten Multiplen Sklerose (MS) mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG).

Die 0000 geborene Klägerin ist verheiratet und hat eine Tochter. Bis 1991 war sie als Lehrerin tätig. Sie leidet seit 1980 an einer chronisch-progredienten MS (Encephalo-myelitis disseminata). Sie wurde wiederholt in der Neurologischen Klinik der RWTH B mit hochdosierten Cortisongaben behandelt; im Juni/Juli 1997 erfolgte in der Neurologischen Klinik der Ruhr-Universität (Direktor: Q) eine intrathekale Gabe von Volon A. Im August 1997 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten einer Therapie der MS mit Gammaglobulinen. Sie legte ein Attest ihres Neurologen und Psychiaters E vor, in dem dieser die Therapie als einzige Möglichkeit bezeichnete, der Klägerin bei ihrer fortschreitenden Krankheit zu helfen, und die Behandlung der MS mit Gammaglobulinen auch aus ethischen Gründen befürwortete. In einer Stellungnahme vom 10. September 1997 erklärte Q, der die medikamentöse Therapie durchführen sollte, dass es für den Verlauf der bei der Klägerin vorliegenden Krankheitsform bisher keine anerkannte Therapie gebe und die in solchen Fällen oft mit guten Ergebnissen angesetzte intrathekale Therapie mit Depotkortikoidsteroiden bei der Klägerin zu keinem Stillstand der Erkrankung geführt habe. Er halte deshalb einen Heilversuch mit intravenösen Immunglobulinen für indiziert. Q fügte seiner Stellungnahme eine von ihm miterstellte Übersicht über die kausale Therapie der MS bei, in der auch die IVIG-Therapie dargestellt wird. Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) M lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 27. Oktober 1997 die Kostenübernahme ab mit der Begründung, Immunglobuline würden nur im Rahmen klinischer Studien befürwortet; Kosten für die medizinische Forschung könnten nicht zu Lasten der Krankenkasse gehen. Dagegen legte die Klägerin am 24. November 1997 Widerspruch ein unter Vorlage einer aktuellen Bescheinigung von E. Dieser teilte mit, dass die einzige Therapie, die bei der chronisch-progredienten Verlaufsform der MS nach heutigem wissenschaftlichen Stand einen Therapieerfolg versprechen könnte, eine Behandlung mit Gammaglobulinen sei. Auch wenn Studien zu dieser Fragestellung noch nicht abgeschlossen seien, seien sie das einzige Medikament, bei dem eine Remyelinisierung möglich sei. In einer Stellungnahme an den MDK M begründete Q, warum er aus medizinischer Sicht im konkreten Fall der Klägerin eine Behandlung mit IVIG für sinnvoll hielt. Er empfahl eine Behandlung in Form eines Heilversuches für zunächst ein Jahr unter Verwendung des Arzneimittels Sando-globulin; die Kosten für 10 Gramm dieses Medikamentes beliefen sich zur Zeit auf etwa 1.500,- DM, die Gesamtkosten der Behandlung der Klägerin auf etwa 27.000,- DM in einem Jahr. Q wies ausdrücklich darauf hin, dass die Applikation von IVIG nicht im Rahmen einer Studie erfolge. In einer ergänzenden MDK-Stellungnahme vom 03. April 1998 sprach sich U erneut gegen eine Kostenübernahme aus: In den Studien und Berichten über die IVIG-Therapie hätten sich zwar positive Ergebnisse bei der schubförmigen MS gezeigt; diese ließen sich jedoch nicht auf die Behandlung von Patienten mit chronisch-progredientem Verlauf übertragen. Es sei von einer experimentellen Situation auszugehen und eine Verordnung zu Lasten der Kasse nicht zu vertreten. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 1998 zurück. Sie verwies dabei auf die Ziffern 12 und 13 der Arzneimittel-Richtlinien; danach setze die Wirtschaftlichkeit einer Verordnung voraus, dass das verordnete Arzneimittel in seiner handelsüblichen Zubereitung hinsichtlich seines therapeutischen Nutzens ausreichend gesichert sei. Erprobungen von Arzneimitteln auf Kosten des Versicherungsträgers seien unzulässig; dies gelte auch für Erprobungen nach der Zulassung des Arzneimittels. MS stelle keine wissenschaftlich anerkannte Indikation für das empfohlene Präparat dar. Infolge dessen könnten Gammaglobuline zur Behandlung der MS weder zu Lasten der Kasse verordnet werden noch bestehe ein Anspruch auf Kostenerstattung. Dagegen hat die Klägerin am 00. 0000. 0000 Klage erhoben. Sie verwies darauf, dass Gammaglobuline u. a. als Fertigarzneimittel "Sandoglobulin" zugelassen seien, wenn auch nicht für das Anwendungsgebiet der chronisch-progredienten MS. Die in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Versicherten hätten Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln nach den allgemein anerkannten Erkenntnissen der medizinische...

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